„Spring ins Auto, schnell!“ Wer bei den Rebellen von Maarat an-Numan im Nordwesten Syriens nach Organisation und Planung sucht, wird enttäuscht. Selbst Raed Mandil, nach eigenen Angaben Befehlshaber von rund 2.000 Kämpfern, entscheidet über sein Vorgehen Tag für Tag neu. Heute steht ein Ausflug auf der Agenda. Eine Fahrt zu anderen Anführern der sogenannten „Freien Syrischen Armee“ (FSA) für die Provinz Idlib.
Von der Stadt bis ins Dorf Masaraan sind es zwar nur zehn Kilometer Luftlinie, doch der vollbesetzte Geländewagen kurvt einen dreifachen Umweg durchs hügelige Gelände. Auf eine Auseinandersetzung mit Armee-Einheiten wollen es die Rebellen besser nicht ankommen lassen. Triste Dörfer ziehen an den schlecht asphaltierten Straßen vorbei. Einfach gebaute Steinhütten, dazwischen Getier aller Art. Die Menschen sind glücklich, aber arm.
Rebellen verlangen Revolutions-Lösegelder
Auch die Autobahn zwischen Damaskus und Aleppo würde nach deutschen Maßstäben allenfalls als Landstraße durchgehen. Allerdings ist eine Besichtigung hier in Syrien ungleich spannender: Zwei ausgebrannte Panzer Assads stehen am Straßenrand. Von den anliegenden Häusern aus sind sie mit Panzerfäusten angegriffen und zerstört worden. Und noch etwas fällt auf: Ein gutes Dutzend Rebellen haben einen mobilen Kontrollpunkt auf der bedeutendsten Magistrale des Landes eröffnet. Personen- und Lastwagen aus Richtung Damaskus müssen anhalten und sich erklären. Nach wenigen Sekunden geht die Fahrt dann weiter.
Zumindest für die meisten: Der 21 Jahre alte Regierungssoldat Ahmed Talji sitzt hier fest. Er wurde vor einigen Wochen aus einem Bus abgeführt. Aus der Hauptstadt kommend, wollte er seine Ferienzeit ausgerechnet dazu nutzen, die Schwester im umkämpften Aleppo zu besuchen. Aufständische fanden seine Dienstkarte und wollen ihn erst dann wieder gehen lassen, wenn die Familie ein Revolutions-Lösegeld zahlt. Doch am Telefon verkündet der Vater, ihm sei das Schicksal des Sprößlings egal. Schließlich habe dieser ohne seine Zustimmung geheiratet. So bleibt der junge Mann bis auf Weiteres in den Räumlichkeiten einer Jugendgruppe von Maarat an-Numan gefangen.
Gerüchte über Gegenschlag Assads
Kommandeur Raed Mandil fragt unterdessen nach dem Weg. Alle paar Hundert Meter folgen Rücksprachen mit Einheimischen. Man kann nie wissen: Auch die Truppen der Regierung errichten wechselnde Kontrollpunkte. Es folgt ein dreistündiger Aufenthalt im staubigen Masaraan.
Was die Gegenseite tue, prahlen die Rebellen, darüber wisse man dank Sympathisanten im gegnerischen Lager gut bescheid. Das neueste Gerücht sorgt für Aufregung: Assad wolle die 91.000-Einwohner-Stadt heute zurückerobern, heißt es. Unruhe macht sich breit. Von einer Minute zur anderen ist alles anders.
Drei Tote
Und tatsächlich: Die halbe Nacht kommt es zu Kämpfen. Im Schutzkeller ist dies einer jener Momente, bei denen man sich fragt, ob es das wert war, hierher zu kommen. Die syrischen Kinder im Unterstand zeigen dagegen schon gar keine Reaktion mehr. Normalität im Krieg. Daß es nur drei Tote geben soll, grenzt dagegen an ein Wunder.
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