Die Völkerwanderung hat ohne Männer stattgefunden. Das legen neueste Veröffentlichungen aus der Sprachwissenschaft nahe: „Zur Zeit der Völkerwanderung … siedelten germanische Völker im Römischen Reich. Im späteren Italien waren das die Langobardinnen, … in Südengland die Angeln und die Sächsinnen, … und in der Gegend um Worms ließen sich die Burgunderinnen nieder …“
So steht es nach Angaben von Luise Pusch in dem neuen Buch „Das kleine Etymologicum. Eine Entdeckungsreise durch die deutsche Sprache“. Kristin Kopf M.A., Fachmännin für Historische Sprachwissenschaft des Deutschen an der Universität Mainz, also in der Stadt, die so gern singt und lacht, hat das Werk verfaßt; allerdings leider nicht in karnevalistischer Absicht und unter dem Einfluß von Burgunderinnenwein, sondern ganz ernsthaft und nüchtern.
Die Vandalinnen zogen weiter
Der Leser erfährt weiter: „Die Vandalinnen zogen weiter, die Fränkinnen blieben und drückten dem Land … seinen späteren Namen auf: Frankreich …“ Diese bahnbrechenden Forschungsergebnisse werfen zunächst viele Fragen auf: Warum verschwieg die Geschichtswissenschaft so lange, daß sich damals nur die germanischen Frauen auf den Weg machten? Warum verließen die Frauen die Männer? Waren sie etwa zuvor an der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gescheitert? Warum blieben die Männer zu Hause? Mußten sie vielleicht brav Herd und Kinder hüten, während sie auf die Rückkehr der Frauen warteten?
Doch ein Blick ins Kleingedruckte des Buches läßt alle diese Fragen wie Seifenblasen zerstäuben. So heißt es unter einem Sternchen auf Seite 11: „Bei generischer Verwendung von Personenbezeichnungen … wird in diesem Buch die weibliche oder die männliche Form gebraucht. Die Zuweisung erfolgt per Zufall, über eine randomisierte Liste. Gemeint sind aber immer alle Menschen, egal welchem Geschlecht sie sich zugehörig fühlen (oder ob sie das überhaupt tun).“ Sächsische Transsexuelle und Männer dürfen sich also bei den „Sächsinnen“ immer mitgemeint fühlen.
Expandierende Römerinnen
Kein Wunder, daß Luise Pusch, eine der Gründerväterinnen des Sprachfeminismus, so begeistert aus dem Buch zitierte. Allerdings dürfte eingefleischten Feministen nicht alles gefallen, denn Kopf verweiblicht auch jene weniger angesehenen Berufe, die man (frau?) sonst eher Männern zuschreibt. Da ist etwa von „europäischen Kolonialistinnen“ und von „Römerinnen mit ihrer Expansionspolitik“ die Rede – als ob es den „Girls’ Day“, der Mädchen für gutbezahlte Männerberufe erwärmen soll, schon bei den alten Römerinnen gegeben hätte.
Kristin Kopf entstammt dem sprachpolitischen Dunstkreis des Berliner Anglisten Anatol Stefanowitsch, der die deutsche Sprache sprachfeministisch umgestalten und mit möglichst vielen Fremdwörtern versetzt sehen will. Sie ist Mitarbeiterin des „Sprachlogs“ und wählt den „Anglizismus des Jahres“ mit. So könnte man dieses Machwerk als Ausfluß abseitiger Sprachspinnerei abtun. Das Erschreckende in diesem Fall ist jedoch, daß das Buch im renommierten und traditionsreichen Verlag von Klett-Cotta erschienen ist. Hinter den Büchern von Klett-Cotta steckt also nicht immer ein kluger Kopf – oder Köpfin?