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Marc Jongen, ESN Fraktion

Vor 75 Jahren: Letztes Hindernis vor dem Führerstaat

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Vor 75 Jahren
 

Letztes Hindernis vor dem Führerstaat

Vor 75 Jahren, am 2. August 1934, starb Reichspräsident Paul von Hindenburg auf seinem Gut Neudeck. Er war das einzige Staatsoberhaupt der Deutschen, das in einer freien Abstimmung vom Volk gewählt wurde. Weilsich der überzeugte Monarchist eidgetreu an die Weimarer Verfassung hielt, unterstützten ihn auch die Sozialdemokraten. Dennoch wird Hindenburg noch immer als vermeintlicher „Wegbereiter Hitlers“ denunziert.
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Reichspräsident Paul von Hindenburg, portätiert von Max Liebermann (1927) Quelle: Wikimedia/Staatl. Museum Schwerin

Am 4. Juni 1934 bringt ein Sonderzug den Reichspräsidenten Paul von Beneckendorff und von Hindenburg aus Berlin auf sein Gut Neudeck in Westpreußen. Es geht dem 86jährigen nicht mehr gut. Er hatte über Herzbeschwerden geklagt. Eine notwendige Operation war wegen des fortgeschrittenen Alters nicht mehr ratsam. Bis zum letzten Tag hatte er seine Dienstgeschäfte wahrgenommen, aber in Neudeck würde er mehr Ruhe und Pflege finden.

Am 30. Juli trifft Adolf Hitler, der seit einem halben Jahr das Amt des Reichskanzlers wahrnimmt, mit dem Flugzeug in Neudeck ein, um sich von dem sterbenden Generalfeldmarschall und Reichspräsidenten zu verabschieden, der auch seinerseits den Wunsch geäußert hatte, den Reichskanzler noch einmal zu sprechen. Sie führen ohne Zeugen ein längeres Gespräch. In den letzten Tagen lebt Hindenburg in der medizinischen Obhut von Geheimrat Professor Ferdinand Sauerbruch. Am 2. August 1934 sinkt die Präsidentenflagge auf Gut Neudeck auf halbmast.

Paul von Hindenburg wurde zweimal vom Volk gewählt

Paul von Hindenburg war nach dem Ersten Weltkrieg in das Amt des Reichspräsidenten gewählt worden, das einzige Staatsoberhaupt übrigens, das in der Weimarer Republik vom Volke gewählt worden war, das erste Mal 1925 im zweiten Wahlgang als Kandidat der Deutschnationalen Volkspartei, der rechtsliberalen Deutschen Volkspartei und der Bayerischen Volkspartei, das zweite Mal 1932, diesmal nominiert von der SPD und der katholischen Zentrumspartei. Als diese beiden an ihn herantraten, wehrte er ab und wies auf sein hohes Alter.

Reichskanzler Brüning vom Zentrum wies aber darauf hin, daß bei seiner Weigerung in Ermangelung eines volkstümlichen Kandidaten der bürgerlichen Parteien Hitler oder Göring zum Staatsoberhaupt gewählt werden könnten. So erklärte sich Hindenburg bereit und gewann im zweiten Wahlgang. Die Sozialdemokraten setzten auf ihn, weil er sich als zuverlässig verfassungstreu erwiesen hatte, obgleich er in seinem Herzen sicherlich eher der Monarchie zuneigte.

Daß die parlamentarische Demokratie funktionsunfähig wurde, daran hatte der Reichspräsident keinen Anteil, wohl aber die Parteien, an der Spitze die SPD. Sie stürzte 1930 ihren Reichskanzler Hermann Müller, weil sich die Parteien nicht über die Höhe der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung einig werden konnten, und verhinderte fast drei Jahre lang parlamentarische Mehrheiten, um einen neuen Reichskanzler zu wählen. Und das inmitten der Weltwirtschaftskrise, die die Arbeitslosenzahlen in die Höhe und die deutsche Wirtschaft in den Abgrund trieb!

So blieb dem Reichspräsidenten, der die ihm vorgelegten Staatsstreichpläne des Reichskanzlers von Papen wie auch dessen Nachfolger, des General von Schleicher, als Verfassungsbruch ablehnte, nichts anderes übrig, als Adolf Hitler als einzigen Kandidaten zum Kanzler zu ernennen, der im Reichstag eine parlamentarische Mehrheit erreichen konnte. Diese Zwangslage, in die ihn nicht zuletzt die SPD gebracht hatte, dem Reichspräsidenten zum Vorwurf und als Begründung für die heutigen Diffamierungen mit Umbenennungen von Straßen und Schulen zu machen, überschreitet die Grenze zur Infamie.

„Hervorragend tüchtiger Generalstabsoffizier“

Die Kräfte, die heute die Erinnerung an den Generalfeldmarschall und Reichspräsidenten beseitigen wollen, können sich mit ihren Vorwürfen nicht auf die wissenschaftliche Forschung berufen. Man weiß längst, daß Hindemburg nicht nur von überragender Intelligenz war, sondern sich auch durch Charakter und Willensstärke auszeichnete. Natürlich war er kein „moderner“ Menschentyp; er war bis auf den Grund seiner Person konservativ und ruhte im Wertesystem seiner Zeit. Mit 28 Jahren wurde er 1875 auf drei Jahre nach Berlin kommandiert, um in die „Kriegsakademie“ aufgenommen zu werden.

Sie sollte für den Dienst im Generalstab vorbereiten; Offiziere, die im Dienst besonders aufgefallen waren, sollten in der „Kriegsakademie“ zu gebildeten, selbständig denkenden und handelnden Führern erzogen werden. Am Ende dieses Studiums, das er mit der Note „sehr gut“ abschloß, wurde ihm in der geheimen Beurteilung bestätigt, er werde „überall Vortreffliches leisten“ und eigne sich „vorzugsweise für eine Kommandierung zum Generalstab“.

Generalquartiermeister Graf Waldersee, Nachfolger des „großen Schweigers“ Helmuth von Moltke als Chef des Generalstabes, urteilte 1887 über den 39 Jahre alten Major von Hindenburg, er sei ein „hervorragend tüchtiger Generalstabsoffizier“ und eigne sich schon jetzt zum Chef des Generalstabes. >>

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Es war also kein Zufall, daß Hindenburg, der 1911 seinen Abschied erbeten hatte und als Pensionär in Hannover lebte, 1914 zum Oberbefehlshaber der 8. Armee in Ostpreußen ernannt wurde, nachdem es der russischen Armee dank ihrer starken Überlegenheit gelungen war, weite Teile von Ostpreußen zu erobern. Ihm und seinem Generalstabschef Erich Ludendorff gelang es, innerhalb kürzester Zeit die beiden russischen Armeen zu vernichten und Ostpreußen zu befreien.

Der bis dahin in Deutschland unbekannte Offizier, im November zum Generalfeldmarschall befördert, wurde in den Augen der Deutschen zum Retter auch in schwierigsten Notlagen. Der so errungenen Popularität verdankte er auch die Erfolge, als er sich den Wahlen zum Reichspräsidenten stellte.

Er war auch 1933 keineswegs altersschwach

Frühere Anwürfe, nach denen Hindenburg nichts als ein mittelmäßiger und dazu noch unpolitischer Offizier gewesen sei, konnten wissenschaftlich  keine Bestätigung finden. Eine neuere umfangreiche Hindenburg-Biographie des 49jährigen Inhabers des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der Universität Stuttgart, Wolfram Pyta, bestätigt hingegen, daß der Reichspräsident „nie eine Marionette“ in der Hand anderer war; sehr wohl habe er politische Grundsätze gehabt, die er mit Nachdruck verfolgte.

Für ihn war die größte Sorge, daß nach dem verlorenen Weltkrieg auch angesichts des in aller Schärfe aufgeflammten Klassenkampfes die Einheit des Deutschen Reiches gefährdet werden könnte.  Pyta vertritt die Ansicht, daß Hindenburg stärker als Politiker denn als Militär gewirkt hat und das nicht zuletzt aufgrund des Charismas, das ihn umgab. „Er hatte stets einen sicheren Instinkt für Macht, für Herrschaft, übrigens auch für Geschichtspolitik, und er war auch 1933 keineswegs altersschwach“, so Pyta.

Wohl überall in Europa wäre eine Persönlichkeit wie der vor 75 Jahren gestorbene Generalfeldmarschall und Reichspräsident von Hindenburg eine allgemein verehrte historische Gestalt. Nachdem die Sarkophage Hindenburgs und seiner Gemahlin von der Wehrmacht 1945 rechtzeitig vor der Roten Armee aus dem ostpreußischen Tannenberg-Denkmal in ein thüringisches Salzbergwerk in Sicherheit gebracht werden konnten, wurden sie dort von der US-Armee entdeckt und nach Marburg gebracht. Dort fanden sie in der St. Elisabethkirche ihren würdigen Platz.

JF 31-32/09

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