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Renaissance der Mitte

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Eine steife Briese weht durch den Hamburger Hafen. Möwen schreien im Wind. Leises Geplätscher von Elbwasser, das an die Kaimauer schlägt. Das maritime Flair der Hansestadt. Es bekommt ein neues Gesicht. Denn außer den samtseichten Wellen und dem entfernt zu vernehmenden Tuckern einer Barkasse dröhnt Gehämmere und Geklopfe herüber zum Baumwall, dem Tor zu Hamburgs altehrwürdiger historischer Speicherstadt. Hier entsteht das derzeit größte und wohl auch ehrgeizigste Bauprojekt des Hamburger Senats. Die Hafen-City. Auf einem Areal von 155 Hektar entstehen Büros für mehr als 40.000 Arbeitsplätze. 5.500 Wohnungen sollen zudem künftig 12.000 Menschen ein komfortables Zuhause am Wasser bieten. Ein neuer Stadtteil mitten im Zentrum. Er symbolisiert einen Trend, der noch vor wenigen Jahren kaum für möglich gehalten wurde. Die Rückkehr der gehobenen Mittelschicht in die Stadt. Jahrzehntelang war das Stadtzentrum zwar Arbeits- und Einkaufsort. Gewohnt wurde jedoch immer mehr im Grünen, dem Umland der Metropolen. Mit der Fertigstellung der Hafen-City in Hamburg soll das anders werden. Die ersten Bewohner haben ihr maritimes Domizil bereits bezogen. Und die Nachfrage ist groß. Es ist die betuchtere Schicht der Elbmetropole, die sich hier niederläßt. Junge Alleinstehende, Paare. Kinder sind noch eher selten zu sehen, obwohl für den Nachwuchs bereits ein Spielplatz fertiggestellt ist. Männer in Nadelstreifen prägen das Bild. Meist fahren sie Audi, Mercedes oder BMW. Vereinzelt sind sie in den ersten Clubs und Cafés anzutreffen, die bereits eröffnet haben. „Speisekarten gibt’s noch nicht“, erklärt die Bedienung eines ebenfalls neu eröffneten Schnellrestaurants etwas verlegen. Es ist eben alles noch in der Entwicklung in dem neuen Stadtteil, in dem unzählige Kräne zwischen den bereits fertigen Apartments und Bürogebäuden emporsprießen. Touristengruppen schlendern neugierig durch die Straßen der seit dem 1. März offiziell als eigener Stadtteil Hamburgs gegründeten Hafen-City. Jene Straßen, die jetzt mehr nach Ferne klingen als nach hanseatischer Heimat. Zu traditionellen Namen wie Sandtorkai und Grasbrook gesellen sich nun San-Francisco-Straße, Hongkong-Straße oder Shanghai-Allee. Im alten zur Speicherstadt gehörenden Kesselhaus befindet sich inzwischen ein Ausstellungs- und Dokumentationszentrum, in dem sich die zahlreichen Neugierigen über den aktuellen Stand des Hafen-City-Baus informieren können. Die Planungen sind in vier große Abschnitte unterteilt. Während an Dalmannkai und Kaiserkai Wohnungen entstehen, soll daran anschließend das sogenannte Überseequartier seinen Platz finden, daß von der Speicherstadt bis zum Kreuzfahrtterminal reichen soll. In diesem Abschnitt werden vor allem Restaurants, Hotels und Büros untergebracht sein. Ab dem Jahr 2010 soll die Hafen-City weiter wachsen. Dann werden noch mehr Wohngebäude im östlichen Teil des Areals realisiert, die in den vierten Bauabschnitt mit Bürohochhäusern an den Elbbrücken übergehen werden. Wenn sie das nötige Kleingeld dazu hätte, würde auch sie sich hier gern ein Apartment kaufen, gibt Kate Jüttner zu. Die 22 Jahre alte Reederei-Assistentin ist mit ihrer Freundin Katharina Zimmermann (21) in die Hafen-City gekommen, um einen Bekannten zu besuchen, der hier arbeitet. „Aber das alles wirkt auf mich ein wenig wie bei Momo und den grauen Männern“, kritisiert sie. Der Stadtteil sei einfach zu künstlich angelegt, die Wohnungspreise für Normalverdiener nicht erschwinglich. „Wenn dann noch die Uni hier demnächst hinkommen soll, entsteht hier ein vollkommen von der Stadt abgeschotteter Stadtteil, gibt die gelernte Hotelkauffrau Katharina Zimmermann zu bedenken. „Nur der Blick auf’s Wasser würde mich reizen“, verrät sie. Der aber ist nicht billig. Für ein Penthouse zur Wasserseite muß ein potentieller Käufer fast eine Million Euro zahlen. Doch es gibt auch günstigere Alternativen. Eine 70 Quadratmeter große Zweizimmerwohnung ist bereits für 200.000 Euro zu bekommen. Und somit auch für den Häuslebauer aus dem Umland erschwinglich. Hinzu kommen die Nähe zum Stadtzentrum, ein vielfältiges kulturelles Angebot sowie exzellente Verkehrsanbindungen, die das Leben in der Hafen-City attraktiv erscheinen lassen. Stadtplanungsexperten prognostizieren daher bereits ein Ende der Stadtflucht. Und das nicht nur in Hamburg. Auch in Berlin wird das Zentrum als Wohngegend wiederentdeckt. Auf dem Friedrichswerder zwischen Außenministerium und Hausvogteiplatz, nahe der Prachtstraße Unter den Linden, entstehen rund 50 neue sogenannte „Townhouses“, eine Art gehobene Version des klassischen Reihenhauses. „Die Miete beträgt hier zwischen 1.000 und 2.000 Euro“, sagt einer der neuen Stadthaus-Bewohner. Ein deutlich höherer Preis, als er ihn im Umland zahlen würde, gibt er zu. Dafür habe er jedoch „kulturelle Highlights“ wie Museumsinsel, Gendarmenmarkt oder die Oper „direkt vor der Tür.“ Auch die kurzen Arbeitswege dürfe man nicht unterschätzen. „Bei dem heutigen Benzinpreis kann so etwas schon von Vorteil sein“, meint er. Und der wird offensichtlich in immer mehr deutschen Städten erkannt. Vielerorts werden derzeit innerstädtische Freiflächen bebaut und damit häufig die letzten Wunden des Bombenkrieges geschlossen. So etwa in Dresden, wo das Areal rund um die Frauenkirche neu entstanden ist. Und in Frankfurt am Main wird derzeit der Wiederaufbau eines Teils der 1944 zerstörten Altstadt geplant. Auch im Zentrum der Bankenmetropole dürfte bald kleinteiliges städtisches Leben neu entstehen. Zwar regiert in der Nähe der meisten dieser Neubauten derzeit noch der Preßlufthammer. Wenn aber Schutt und Zementmaschinen endgültig weggeräumt, die Baufahrzeuge abgefahren sind und das Anwohner nervende Hämmern und Klopfen von Werkzeugen ein Ende gefunden hat, könnten sie schon bald zu Perlen eines neuen und modernen Stadtbildes heranwachsen. Und damit möglicherweise die Zentren deutscher Großstädte aus einem bereits Jahrzehnte währenden Dornröschenschlaf
erwecken. Für Hamburg ist es das wichtigste Bauprojekt der vergangenen einhundert Jahre: Seit fünf Jahren entsteht mit der sogenannten Hafen-City mitten in der Stadt zwischen historischer Speicherstadt und Elbe ein komplett neues Viertel – das Zentrum der Hansestadt wächst um 40 Prozent. Während in den vergangenen Jahrzehnten für eine Stadterweiterung meist nur die grüne Wiese vor den Toren der Stadt blieb, wächst Hamburg jetzt nach innen. Entlang alter, im Zeitalter der Containerriesen nicht mehr benötigter Hafenbecken entstehen zahlreiche Büro- und Wohnhäuser, die ab 2010 von der spektakulären Elbphilharmonie überragt werden. Über die architektonische Qualität der Bauten gehen die Meinungen indes auseinander: Der renommierte Hamburger Architekt Hadi Teherani verspottete die Arbeit seiner Kollegen als „Würfelhusten am Wasser“. Die Stadthäuser auf dem Friedrichswerder in Berlin sind ein Paradebeispiel für den Versuch der Revitalisierung der Städte. Vor allem junge Familien sollen ermuntert werden, statt in ein Einzelhaus am Stadtrand oder im Speckgürtel der Hauptstadt wieder in das Zentrum zu ziehen. Wie hier werden auch an anderen Stellen in der Mitte Berlins die letzten kriegsbedingten Baulücken und Freiflächen geschlossen. Architektonisch bieten die wie eine Perlenkette aufgereihten Stadthäuser auf dem Friedrichswerder ein sehr uneinheitliches Bild, da die Stadt darauf verzichtet hat, den Bauherren für die Fassadengestaltung konkrete Vorgaben zu machen. Ob sich das Stadtviertel in der Nähe der Prachtstraße Unter den Linden tatsächlich wie geplant mit Leben füllen wird, wird sich erst in einigen Jahren erweisen. Der Dresdner Neumarkt gehört zu den herausragenden Beispielen für die Wiedergewinnung historischer Stadtlandschaften in Deutschland. Nach dem Wiederaufbau der 2005 eingeweihten Frauenkirche wurden in den vergangenen Jahren auch die im Krieg zerstörten Häuser am Neumarkt neu aufgebaut. Anders als in Berlin oder in Hamburg orientiert sich die Architektur an den historischen Vorbildern. Dort wo bis vor kurzem noch Freiflächen und Parkplätze Trostlosigkeit verbreiteten, ist wieder städtisches Leben eingezogen, sind die
Wunden der Zerstörung verheilt.

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