Das Jahr 2008 wird eine Reform der Erbschaftsteuer bringen. Der Gesetzesentwurf hat das Bundeskabinett passiert. Das bekräftigt den Willen der Bundesregierung, diese Steuer auch weiterhin zu erheben. Nun erbringt die Erbschaftsteuer bundesweit circa vier Milliarden Euro. Das sind etwa 0,85 Prozent des gesamten Steueraufkommens von Bund, Ländern und Gemeinden, welches zum Beispiel für 2007 mit 468 Milliarden Euro geschätzt wurde. Man braucht sich aber gar nicht daranzumachen, unsinnige Staatstätigkeiten aufzulisten, deren Einstellung die Erhebung der Erbschaftsteuer finanzpolitisch entbehrlich machen würde. Sie wäre es bereits dann, wenn die öffentliche Hand das ernst nehmen würde, was ihr Rechnungshöfe und der Bund der Steuerzahler Jahr für Jahr an verschwendeten Steuergeldern vorrechnen. Die Erhebung ist zudem nicht ganz unkompliziert und somit nicht ganz billig. Bedenkt man schließlich, daß aus ebendiesen Gründen einige Staaten auf die Erhebung einer Erbschaftsteuer verzichten, wie jüngst etwa Österreich, so merkt man schon, daß es bei ihr zwar auch, aber nicht nur und keinesfalls primär um die Deckung des staatlichen Finanzbedarfs geht. Sie ist unter den Steuern, mit den Worten Fausts gesprochen, ein „ganz besonderer Saft“. Was ist dieses Besondere? Es kommen einige Faktoren zusammen. Vor einiger Zeit war in einer angesehenen deutschen Tageszeitung eine Heiratsanzeige zu lesen. Die Inserentin suchte einen Partner mit Vermögen, aber mit dem Zusatz: „kein ererbtes Vermögen“. Erwünscht war mithin das, was man gern als self made-man bezeichnet. Die Unterscheidung signalisiert eine tief verwurzelte Ambivalenz gegenüber dem Erben. Mittelbar hat sie sogar Eingang in den Text des Grundgesetzes gefunden. In dessen Artikel 14 wird nicht nur das Eigentum geschützt, sondern ausdrücklich auch „das Erbrecht“. Diese Doppelung ist juristisch sinnlos, denn es gibt keine herrenlosen Erbschaften. Solange der Erblasser lebt, genießt er den Schutz seines Eigentums. Im Moment seines Ablebens tritt kraft Gesamtrechtsnachfolge bruchlos sein Erbe in diese Eigentumsposition ein, die dann als solche bei ihm geschützt ist. Aber gerade diese juristische Entbehrlichkeit der Formel zeigt, daß die Väter des Grundgesetzes einen Schutz gegen politische Begehrlichkeiten schaffen wollten, und politisch gesehen kann man sehr wohl unterscheiden zwischen erworbenem und ererbtem Gut, welches einem qua Erbfall „in den Schoß gefallen“ ist. Exakt hier, an der in der Natur der Sache liegenden Unentgeltlichkeit des Erwerbs durch den Erben, setzt die Erbschaftsteuer an und sucht ihre Legitimation. In solchen und ähnlichen Zonen ist dasjenige angesiedelt, was bei Betrachtungen über die Erbschaftsteuer unterschwellig mitschwingt. Finanzpolitik ist durchaus nicht etwas nur Rationales. Es handelt sich um Politik, wo es bekanntlich um Freund und Feind geht. Interessant, daß der spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt als Abgeordneter es einmal öffentlich als bedauerlich bezeichnet hat, daß einem gewissen Personenkreis (versteht sich: dem der politische Gegner angehörte) nicht die ökonomische Basis entzogen worden sei. In der Konsequenz dessen liegt es, daß auch beizeiten schon Bremsen in das System eingebaut worden sind. Der „normale“ Steuerpflichtige, „Otto Normalverbraucher“, „Lieschen Müller“, soll mit seiner kleinen Erbschaft keine Probleme haben. Das legitimierte die Freibeträge, auch den künftig vorgesehenen in Höhe von 500.000 (zur Zeit 307.000) Euro für die Ehefrau bzw. den Lebenspartner und in Höhe von 400.000 (zur Zeit 205.000) Euro für die Kinder. Im Laufe der Zeit hat dann auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dafür gesorgt, daß kleine Vermögen steuerfrei vererbt werden können. Maßstab war bezeichnenderweise das Einfamilienhaus, wie die gegenwärtigen Freibeträge verdeutlichen. Hinsichtlich der wertmäßig darüber hinausgehenden Vermögenswerte aber scheint der Gesetzgeber gewissermaßen freies Schußfeld zu sehen. In der Tat steigen die Steuersätze denn auch rasch an. Zudem hat die Neufassung des Gesetzes die Kleinfamilie im Auge, indem die Freibeträge zum Beispiel schon für den Neffen (Steuerklasse II) nur 20.000 Euro betragen (gegenüber 400.000 Euro bei Kindern) und der Tarif in der Eingangsstufe von bisher 12 Prozent auf 30 Prozent erhöht wurde, für Vermögen ab 6 Millionen Euro auf 50 Prozent. Eine Gruppe weiterer faktisch bestehender, erheblicher Befreiungen, die im Gesetz gar nicht erst erscheinen, ist in den Diskussionen der letzten Jahre gänzlich aus dem Blickfeld geraten – auch dies Resultante einer eindeutigen Freund/Feind-Konstellation. Wer als überlebender Ehegatte eine vom verstorbenen Gatten erarbeitete Sozialversicherungsrente bezieht oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgt wird, der erbt der Sache nach natürlich auch, und das nicht zu knapp. Der Barwert einer monatlich im voraus zu zahlenden Geldrente in Höhe von 2.000 Euro, die an eine 60jährige Frau zu leisten wäre, beträgt, abhängig von einigen weiteren Annahmen bei der Berechnung, etwa 345.000 Euro. Sie werden von der Erbschaftsteuer nicht erfaßt. Gleiches gilt für die Versorgung der Abgeordneten. Demgegenüber kann etwa der Handwerksmeister, der Freiberufler oder der Landwirt, der seine Witwe mit einer solchen monatlichen Rente versorgt sehen möchte, dies im wesentlichen nur aus Vermögen tun, welches der Erbschaftsteuer unterlegen hat, denn der Versorgungsfreibetrag, den das Gesetz vorsieht, wird nur 256.000 Euro betragen. Und auch insoweit stehen der Handwerker, Landwirt oder Freiberufler noch schlechter, weil die durch Inflation bedingte Geldentwertung nicht berücksichtigt ist, was bei den Sozialversicherungsrenten und den Beamtenpensionen in der Vergangenheit im Prinzip geschehen und auch künftig zu erwarten ist. Selbstredend dürfen Abgeordnete dies erwarten. Bereits seit 1993 gab es eine Besonderheit für gewerbliches, freiberufliches und land- und forstwirtschaftliches Vermögen, die nun in eine ganz andere Richtung zu weisen scheint. Sie bestand in einer Begünstigung dieser Vermögen durch einen weiteren Freibetrag und einen sogenannten Bewertungsabschlag, wonach sie nur mit 65 Prozent ihres Wertes angesetzt wurden. In der Diskussion hatte sich die Überzeugung entwickelt, daß die Strategie: „Jenseits des ererbten Einfamilienhauses geht es zur Sache“ – also die massive Besteuerung größerer Erbschaften – Folgen hat, die nicht wünschenswert waren. Diese Sensibilität dürfte etwas mit dem Ansteigen der Arbeitslosigkeit in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre zu tun haben und wohl auch mit dem Verblassen der keynesianischen Überzeugung, der Staat könne Konjunkturaufschwünge erzeugen und sogar Arbeitsplätze schaffen. Man besann sich auf den Unternehmer und mußte notgedrungen unternehmerisches Vermögen schonen. Hier erhält das Weltbild des Gesetzgebers mithin einen Riß. Verfechter des Grundsatzes, die besondere Rechtfertigung der Erbschaftsteuer liege in dem Umstand, daß die Erben etwas unentgeltlich erlangen, könnten dem ja eigentlich nicht zustimmen. Sie dürften konsequenterweise keinerlei Unterschied machen zwischen den einzelnen Vermögensarten. Das Argument lautete dann, daß Unternehmen in gesteigertem Maße sozialpflichtig seien. Diese Belastung, die eben auf einem reinen Geldvermögen oder auf Haus- und Grundbesitz nicht laste, legitimiere die steuerliche Schonung unternehmerischen Vermögens. Für eine bevorzugte Behandlung unternehmerisch gebundener Vermögen schien auf den ersten Blick viel zu sprechen. Die Erbschaftsteuer trifft Unternehmen – jedenfalls das kleine und das mittelständische – in einer kritischen Phase, wenn mit dem Tod des Erblassers der Chef, der Unternehmensleiter wegfällt, um so mehr dann, wenn es nicht möglich war oder versäumt wurde, einen Nachfolger an das Unternehmen heranzuführen. Die Dinge liegen also anders, als zum Beispiel beim Mietshausbesitz und beim Geldvermögen. Für den Erben solcherart Vermögen ist es problemlos, will oder kann er sie nicht selbst verwalten, dies durch Dritte erledigen zu lassen. Zur Nutzung von Immobilien und Kapitalvermögen bedarf es keiner spezifischen unternehmerischen Fähigkeiten und Neigungen. Und in einem fast ebenso wichtigen Punkte unterscheiden sich Geldvermögen und Haus- und Grundbesitz vom unternehmerischen Vermögen. Der Tod kommt meist unerwartet, und bei der Erbschaftsteuer geht es in aller Regel nicht um Beträge, die man ohnehin in der Portokasse griffbereit zu haben pflegt. Es müssen also Vermögenswerte flüssig gemacht werden. Aus einem Geldvermögen kann man aber nun, in der Regel börsentäglich, Mittel zur Steuerzahlung realisieren. Bei Haus- und Grundbesitz geht dies gewiß nicht ebenso rasch, aber abgesehen von der Möglichkeit der Beleihung ist aus einem weiteren Grund die Zahlung der Steuer nicht so problematisch wie bei unternehmerischem Vermögen. Letzteres stellt eine organische Zusammenfügung der verschiedenen Produktionsfaktoren dar. Aus einem solchen Organismus kann nicht ohne weiteres ein Teil entnommen und versilbert werden, ohne daß das Ganze beeinträchtigt würde. Insoweit liegen also die Dinge gänzlich anders als beim Wertpapierdepot, aus dem man einen Teil der Papiere, und als beim Haus- und Grundbesitz, wo man das eine oder andere Objekt veräußern kann. Alles das rechtfertigt eine andere Behandlung der Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft und der gewerblichen und freiberuflichen Unternehmen. Und man wird es zunächst einmal als Fortschritt begrüßen dürfen, wenn eine mechanistische, von den realen Gegebenheiten des Lebens abstrahierende Gleichheitsbetrachtung hier nicht stattgefunden hat. Das neue Erbschaftsteuergesetz wird hier eine noch weitergehende Begünstigung schaffen. Gewerbliches, freiberufliches und land- und forstwirtschaftliches Vermögen werden nur mit 15 Prozent ihres Wertes zur Erbschaftsteuer herangezogen, sofern der oder die Erben den Betrieb für die Dauer von mindestens 15 Jahren fortführen – eine erhebliche Begünstigung. Das steuerpraktische Problem (die Möglichkeit von Verschiebungen zwischen begünstigtem unternehmerischen und nicht begünstigtem Privatvermögen) lassen wir unerörtert. Das weitere Problem liegt in der Quasi-Pflicht zur Unternehmensfortführung für die Dauer von 15 Jahren. Geschieht dies nicht, entfällt die Befreiung nachträglich, und die bis dahin gewissermaßen gestundete Erbschaftsteuer wird fällig. Aber Zeiträume von 15 Jahren sind im Wirtschaftsleben bei weitem nicht mehr überschaubar, geschweige denn planbar. Es können Gründe auftreten, die eine Aufgabe eines Unternehmens oder seine Veräußerung für jedermann geraten erscheinen lassen, an die aber im Zeitpunkt des Erbfalls nicht gedacht werden konnte. Auch andere Fälle, in denen sich zum Beispiel aus Gesundheitsgründen entgegen den ursprünglichen Plänen die Fortführung als unmöglich erweist, wo Insolvenz eintritt usw., sind denkbar. Gerade hier sind für das Gesetzgebungsverfahren demnächst Auseinandersetzungen zu erwarten. Es gibt mithin zwei Personenkreise, die von der Erbschaftsteuer jedenfalls nicht voll getroffen werden. Der eine ist der des „Otto Normalverbraucher“ – der andere ist derjenige, der über große und größte Vermögen verfügt. Der Steuersatz kann hier zwischen 27 und 50 Prozent liegen. Man wird schlechterdings nicht annehmen können, daß dieser Personenkreis, der über Gestaltungsmöglichkeiten und weltweite Mobilität verfügt und zu deren Nutzung erforderliche Beratungsressourcen mobilisieren und bezahlen kann, sich von einem deutschen Steuerinspektor sehenden Auges über ein Viertel oder gar die Hälfte seines Vermögens (zahlbar sofort) abnehmen läßt. Damit ist dann aber auch deutlich, welche Bevölkerungsgruppe getroffen wird. Das ist der (auf der Basis erworbenen oder ererbten Vermögens oder von beidem) wirtschaftlich unabhängige Bürger; der, der zum Beispiel Politik nicht zu seinem Erwerbszweig machen muß, weil er nichts anderes als eine Partei-, Gewerkschafts- oder Verbandskarriere vorweisen kann, sondern für Tätigkeiten im Allgemeininteresse zur Verfügung steht, der auch keine Beraterverträge braucht und für den die Versuchung der Korruption nicht besteht. Das ist aber auch der Beamte, der auf die Entwicklung eines stromlinienförmigen Profils verzichten kann, der in der Lage ist, mit Offenheit aufzutreten, der seinem Minister raten kann, auch wenn er weiß, daß gerade dieser Rat nicht so gern gehört wird, der also wirtschaftlich in der Lage ist, jederzeit um seine Versetzung in den Ruhestand nachzusuchen. Das ist der Privatgelehrte, der jenseits von Hochschulbürokratie und Exzellenz-Turnübungen das tut, was sich aus seinen Erkenntnissen für ihn als richtig ergibt, summa summarum: der unabhängige Bürger. Bedeutet die Erbschaftsteuer deshalb ein unlösbares Dilemma, ein restlos zu beseitigendes Übel? Durchaus nicht. Die Erbschaftsteuer ist im Grunde eine Steuer wie jede andere auch. Nur: Nicht anders als andere Steuern auch, muß sie so eingesetzt werden, daß mit ihr das erreicht wird, wozu sie da ist, die Einnahmeerzielung nämlich – aber auch nur hierzu, und nicht zu Umverteilungszwecken. Das bedeutet einen niedrigen Satz und keine oder nur eine geringfügige Progression. Denn ganz sicher kann man dem, dem in Gestalt einer Erbschaft etwas zufällt, zumuten, hieraus einen Beitrag zu den Lasten der Gemeinschaft zu leisten. Dr. Hartmut Hahn war von 1991 bis 2007, unterbrochen durch eine zweijährige Tätigkeit als Finanzrichter, als Referatsleiter in der Steuerabteilung im Thüringer Finanzministerium tätig. Er publiziert auf den Gebieten des Steuerrechts und ist Mitarbeiter bei Kommentaren und Handbüchern. Foto: Nachdenken über das Testament: Politisch gesehen kann man sehr wohl unterscheiden zwischen erworbenem und ererbtem Gut, welches einem qua Erbfall „in den Schoß gefallen“ ist. Exakt hier, an der in der Natur der Sache liegenden Unentgeltlichkeit des Erwerbs durch den Erben, setzt die Erbschaftsteuer an und sucht ihre Legitimation.