BERLIN. Der Sozialwissenschaftler Stefan Sell hat auf eine Reform des Pflegesystems gefordert. „Die Eigenanteile sind zu hoch. Die Leute können doch nicht dauerhaft 3.000 oder 4.000 Euro im Monat zuzahlen“, sagte Sell am Mittwoch gegenüber dem Spiegel.
Die Eigenanteile für pflegebedürftige Menschen in stationärer Pflege sind in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen und könnten sich in den kommenden Jahren weiter verdoppeln. Laut einer Auswertung des Verbands der Ersatzkassen, auf die Sell sich bezieht, müssen Pflegebedürftige derzeit im Durchschnitt 3.108 Euro monatlich zu den Pflegekosten beisteuern. Das ist der Betrag, den die Pflegeversicherung nicht abdeckt, wobei die tatsächlichen Zuzahlungen je nach Bundesland und Einrichtung stark variieren. In Sachsen-Anhalt liegt der Eigenanteil bei 2.595 Euro, in Nordrhein-Westfalen bei 3.427 Euro.
Pflegeheimkosten sind enorm hoch
Sell betont, daß die Pflegeversicherung als Teilleistungsversicherung konzipiert ist. Sie zahlt demnach nur eine pauschale Leistung, die je nach Pflegegrad variiert. Im höchsten Pflegegrad 5 sind das 2.096 Euro im Monat, während die tatsächlichen Pflegeheimkosten oft bei 4.500 Euro und mehr liegen. Die Differenz muß dann aus dem eigenen Ersparten oder durch Sozialhilfeträger gedeckt werden.
Sell warnte, daß ohne eine Reform der Pflegeversicherung die Eigenanteile weiter steigen könnten. „Es gibt keine Anzeichen, daß sich dieser Trend abschwächen wird. Im Gegenteil, die Eigenanteile könnten sich in den nächsten sieben Jahren noch einmal verdoppeln“, sagte er. Ein Hauptfaktor für die steigenden Kosten seien die höheren Löhne der Pflegekräfte, die jedoch laut Sell notwendig seien, da die Pflegeberufe unterbezahlt gewesen seien.
Um den Anstieg der Eigenanteile zu bremsen, schlägt Sell vor, die Pflegeversicherung zu einer echten Teilkaskoversicherung umzugestalten, bei der die Eigenbeteiligung begrenzt wird. Dies würde allerdings höhere Beitragssätze oder zusätzliche Steuermittel erfordern, um die steigenden Kosten zu decken. (st)