ERFURT. Kirchliche Beschäftigte besitzen ein eingeschränktes Streikrecht. Das entschied das Bundesarbeitsgericht in Erfurt in einer Grundsatzentscheidung am Dienstag. Die deutschlandweit rund 1,3 Millionen Beschäftigte der großen Kirchen sowie Caritas und Diakonie dürfen unter bestimmten Bedingungen für verbesserte Arbeitsbedingungen streiken.
Das gelte jedoch nicht für Tarifverhandlungen, bei denen „Gewerkschaften in dieses Verfahren organisatorisch eingebunden sind und das Verhandlungsergebnis für die Dienstgeberseite als Mindestarbeitsbedingung verbindlich ist“, heißt es in der Begründung des Gerichtes, das einen Kompromiß zwischen den kirchlichen Klägern und Gewerkschaften suchte.
Bisher sah das aus der Weimarer Republik stammende kirchliche Tarifrecht, der sogenannte Dritte Weg, keine Streikmöglichkeiten vor. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollen intern verbindliche Vereinbarungen aushandeln. Auf diesem Selbstbestimmungsrecht beharrte die Evangelische Kirche, als es nach Warnstreiks von Verdi und dem Marburger Bund 2009 und 2010 zum Rechtsstreit kam.
Möglicherweise Klagen in Karlsruhe und Straßburg
Anfang 2011 wurde die Klage der Kirche vom Arbeitsgericht Hamburg abgewiesen. Kirchliche Mitarbeiter besäßen ein prinzipielles Streikrecht, argumentierte das Gericht damals. Auch das Bundesarbeitsgericht folgte dem Urteil im Wesentlichen. Gleichzeitig betonte es, daß Kirchen auch weiterhin den Dritten Weg der Schlichtung gehen können.
„Entscheidet sich die Kirche, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten ihrer diakonischen Einrichtungen nur dann durch Tarifverträge auszugestalten, wenn eine Gewerkschaft zuvor eine absolute Friedenspflicht vereinbart und einem Schlichtungsabkommen zustimmt, sind Streikmaßnahmen zur Durchsetzung von Tarifforderungen unzulässig.“
Den Kirchen steht nun der Weg vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe offen. Auch eine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist denkbar, berichtet die Süddeutsche Zeitung. „Möglicherweise endet die Wegstrecke nicht in Erfurt oder Karlsruhe, sondern in Straßburg“, hatte bereits zu Beginn der Verhandlung die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichtes, Ingrid Schmidt, in Aussicht gestellt. (FA)