Die Einwanderungslobby hat sich mit ihrer Minimalforderung durchgesetzt: Auf Betreiben der Unionsländer hat die Innenministerkonferenz die Bleiberechtsregelung für langjährig geduldete Flüchtlinge um weitere zwei Jahre verlängert (siehe auch den Kommentar auf Seite 2). Damit haben rund 25.000 Ausländer mit unsicherem Aufenthaltsstatus, die nach der „Altfallregelung“ von 2007 einen befristeten Aufenthaltstitel beantragt hatten, weitere zwei Jahre Zeit, um eine feste Arbeitsstelle mit ausreichendem Einkommen und damit den Anspruch auf eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu erwerben. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) konnte sich mit der von Pro Asyl und anderen Lobbyorganisationen übernommenen Forderung nach einer sofortigen gesetzlichen Regelung nicht durchsetzen.
Damit war Körting kurzfristig aus der Linie der SPD-Kollegen ausgeschert – wohl um den Druck zu erhöhen. Die sozialdemokratischen Innenminister und Innensenatoren hatten die zentrale Bedingung der Altfallregelung, den Arbeitsnachweis, Mitte Oktober durch einen Kompromißvorschlag ausgehöhlt: Statt des gesicherten Einkommens sollte das „ernsthafte und nachhaltige“ Bemühen um eine Stelle, nachgewiesen „durch die Bewerbung um einen Arbeitsplatz“, sowie ein „Beitrag für unsere Gesellschaft“ durch ehrenamtliches Engagement etwa im Sportverein oder bei der Elternhilfe in der Kindertagesstätte als Voraussetzung für die Erteilung einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis genügen. Nach Lesart der SPD und der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Staatsministerin Maria Böhmer (CDU), habe vor allem die Wirtschaftskrise den betroffenen Flüchtlingen die Arbeitssuche unzumutbar erschwert – obwohl die Altfallregelung mehr als ein Jahr vor deren Ausbruch schon in Kraft getreten war.
Flankiert von parlamentarischen Initiativen der Linkspartei und der Grünen und mit den christlichen Kirchen und ihren Wohlfahrtsverbänden als tragenden Säulen im Kampagnenkonzept hatten einflußreiche Verbände der Einwanderungslobby wie Pro Asyl und Amnesty International mit Unterstützung der Gewerkschaften seit dem Frühjahr und verstärkt während und nach der Bundestagswahl den Druck erhöht, um ein Auslaufen der Bleiberechtsregelung zu verhindern. Nicht nur der neue Regierungspartner FDP konnte für die Verlängerung gewonnen werden, sondern auch weitere CDU-Politiker wie Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Armin Laschet. Angesichts dieser Phalanx fanden sich diejenigen Unions-Innenminister wie Bayerns Joachim Herrmann oder sein niedersächsischer Kollege Uwe Schünemann, die ursprünglich an einer konsequenten Anwendung der Regelung festhalten wollten, in der Minderheit.
Daß diejenigen Kandidaten, die weiterhin keine realistische Chance auf dem Arbeitsmarkt haben und dauerhaft auf Transferleistungen angewiesen wären, in zwei Jahren doch noch auf den Status der Duldung zurückfallen oder gar abgeschoben werden, rückt freilich weiter in den Bereich des Unwahrscheinlichen. Jugendliche mit Schulabschluß oder Berufsausbildung, bei denen pauschal „erfolgreiche Integration“ angenommen wird, erhalten bereits nach dem jetzigen Kompromiß ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht unabhängig vom Status der Eltern. Der Druck auf eine „endgültige Lösung“ ohne Vorbedingungen an die Flüchtlinge besteht weiter seitens der Einwandererlobby und der politischen Linken und wird auch die von Bundesinnenminister de Maizière angekündigte bundesgesetzliche Regelung beeinflussen.
Von daher ist kaum zu erwarten, daß die von Schünemann und seinem hessischen Amtskollegen Volker Bouffier schließlich so benannte „zweite Chance“ tatsächlich dazu führt, daß eine „dauerhafte Belastung der Sozialsysteme“ vermieden wird. Ärgern dürften sich über den Beschluß der Innenminister auch jene ausländischen Flüchtlinge, die sich in den vergangenen Jahren rechtstreu verhalten haben und in ihre Heimat zurückgegangen sind. „Die Familien, die das Land verlassen haben und mit ihren Familien in oft schwierige Umstände zurückgekehrt sind, das sind die eigentlichen Verlierer“, kritisiert der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach.
Foto: Protest gegen die Abschiebung von Zigeunern in Münster: Aufenthaltsgenehmigung durch ehrenamtliches Engagement?