BERLIN. Seit den Bundestagswahlen im Februar ist nur ein AfD-Vertreter in eine öffentlich-rechtliche Talkshow eingeladen worden. Damit ist die bundesweit zweitstärkste Partei der seltenste Talkshow-Gast aller Parteien – noch hinter dem BSW (zwei Einladungen) und der FDP (acht Einladungen), wie aus einer aktuellen Auswertung des X-Nutzers „Medialsozialist“ hervorgeht. Am häufigsten wurden Vertreter der Union eingeladen, sie stellten 57 der insgesamt 148 Talkshow-Gäste, die in ihrer Eigenschaft als Parteipolitiker vor der Kamera saßen.

Am zweithäufigsten (40mal) wurden Politiker mit SPD-Parteibuch eingeladen, gefolgt von den Grünen mit 27 Vertretern. Die Linkspartei schickte 13 ihrer Mitglieder zu ARD– und ZDF-Talkshows. Auffällig: Die Union wurde gemessen an ihrem Stimmenanteil bei den vergangenen Bundestagswahlen so oft eingeladen, wie es zu erwarten wäre, die AfD ist hier als einzige Partei unterrepräsentiert – alle anderen Parteien sitzen öfter in Talkshows, als ihre Fraktionsgröße im Parlament vermuten ließe.
Medienrechtler kritisiert ARD und ZDF
Der ARD-Journalist Georg Restle verteidigte diese Praxis. Die AfD sei „gesichert rechtsextremistisch“, der öffentlich-rechtliche Rundfunk könne das nicht ignorieren. „Eine ‘Gleichbehandlung‘ von Rechtsextremisten verstößt gegen den Programmauftrag. Verfassungsfeinden darf keine Bühne gegeben werden“, forderte Restle auf X. Das gelte für Talkshows, aber auch für die „Tagesschau“.
AfD jetzt „gesichert rechtsextremistisch“. Eine Entscheidung, die Folgen haben muss, auch für den ÖRR. Eine „Gleichbehandlung“ von Rechtsextremisten verstößt gegen den Programmauftrag. Verfassungsfeinden darf keine Bühne gegeben werden. Nicht in Talks, nicht in der Tagesschau.
— Georg Restle (@georgrestle) May 2, 2025
Restles langjährige Kollegin, die ARD-Moderatorin Anne Will, widersprach Restles Darstellung. Die nach ihr benannte Talkshow, die Ende 2023 eingestellt wurde, hatte in ihrem letzten Jahr nicht einen AfD-Vertreter zu Gast. „Da kann man sagen, das war journalistisch an ein, zwei Stellen gar nicht mehr richtig begründbar, an Wahlabenden beispielsweise, an denen die AfD dann erstaunliche Erfolge feiert“, monierte sie am Dienstag in dem Medien-Podcast „Läuft“. Das sei für ein Jahr aushaltbar gewesen, aber „das entspricht nicht dem Auftrag, den öffentlich-rechtliches Fernsehen hat“.
Kritik kam auch von dem Medienrechtler Dieter Dörr. Selbst wenn die aktuelle Einstufung der gesamten AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ Bestand habe, schließe journalistische Verantwortung auch die Auseinandersetzung mit verfassungsfeindlichen Einstellungen ein, sagte er dem Evangelischen Pressedienst. „Solange eine Partei nicht vom Bundesverfassungsgericht verboten ist, bleibt sie eine Partei mit allen Rechten“, betonte Dörr. Das schließe auch ein, daß sie bei Wahlwerbezeiten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht benachteiligt werden dürfe. (st)