Als Helmut Kohl im Herbst 1982 das Amt des Bundeskanzlers übernahm, ging er sogleich ans Werk, die verheißene geistig-moralische Wende anzustoßen. Um die damals noch nicht mehrheitsfähigen Vorschläge aufzugreifen, man möge doch endlich den Umverteilungsstaat in die Schranken weisen, blieb da schlichtweg keine Zeit — dieses Ziel beherzt in Angriff zu nehmen, sollte erst der rot-grünen Nachfolgeregierung vorbehalten sein. So blieb denn auch die aus der Spendierlaune der sozialliberalen Ära geborene Künstlersozialkasse, die zum Jahresbeginn 1983 ihre Arbeit aufnahm, vom Gestaltungswillen des Rekordkanzlers unberührt. Seit einem Vierteljahrhundert betrachtet sie es nun als ihre Aufgabe, freischaffende Schauspieler, Musiker, bildende Künstler und Publizisten in die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung einzubeziehen, als wären sie Arbeitnehmer wie andere auch. So zahlen ihre Versicherten ebenfalls lediglich die Hälfte des Beitrages selbst, während gewöhnliche, nicht kreative Selbständige die Vorsorge auf diesen Gebieten gänzlich aus eigener Tasche finanzieren müssen. Die andere Hälfte der Beiträge entrichten der Bund sowie in Form einer pauschal umgelegten Künstlersozialabgabe all jene Unternehmen, die Honorare an Künstler oder Publizisten zahlen, wobei die Empfänger dieser Zahlungen nicht notwendigerweise Versicherte sein müssen. Doch auch die Tage dieses Relikts aus den Zeiten des sentimentalen Sozialstaates könnten gezählt sein. Gleich vier Ausschüsse des Bundesrates empfehlen der Länderkammer die Annahme eines Beschlusses, in dem die Abschaffung der Künstlersozialkasse oder zumindest eine Entlastung der Unternehmen gefordert wird.Während diese Initiative durch die nüchternen Rechner aus den Arbeitgeberverbänden und dem Einzelhandelsverband unterstützt wird, scharen sich parteiübergreifend all jene zum Protest zusammen, die vorgeben, das Ende der Kultur abwenden zu wollen. Gerade ein solches ist aber nicht zu befürchten, wenn die Künstlersozialkasse ihre Pforten in Wilhelmshaven schließen muß. Die in ihr Versicherten kommen auf ein monatliches Durchschnittshonorar von gerade einmal 1.000 Euro. Allzuviel scheint die „Kunst“, die sie der Gesellschaft anzubieten haben, also nicht wert zu sein. Wer wirklich Kulturschaffender ist, erzielt auch die entsprechenden Marktpreise. Die übrigen können bestenfalls als Lebenskünstler durchgehen. So schön es sein mag, solche unter uns zu wissen: Man darf nicht dem Steuerzahler oder der Wirtschaft zumuten, sie durch Subventionen zu privilegieren.
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