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Die Urkatastrophe in Öl

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Wer an den Ersten Weltkrieg und die Kunst denkt, dem fallen zunächst wohl literarische Bezüge ein, von den Gedichten eines August Stramm bis zu den „Stahl-gewittern“ Ernst Jüngers. In der Bildenden Kunst wird man sich an Gemälde erinnern. Auf der einen Seite vielleicht „Der letzte Mann“ von Hans Bohrdt, auf dem ein deutscher Matrose, der mit seinem Schiff in den Fluten versinkt, den englischen Kriegsschiffen die Reichskriegsflagge entgegenreckt. Auf der anderen Seite Otto Dix’ Triptychon „Der Krieg“, in dem das Leiden und der Tod der grauen Masse thematisiert wird. Angesichts der Fülle der Deutungsmöglichkeiten bleibt die Frage, wie man einer „Urkatastrophe“ wie dem Ersten Weltkrieg künstlerisch angemessen begegnet. Die Antwort liegt wohl zwischen Bohrdt und Dix. Das legt zumindest der vorliegende Katalog nahe. Wenn auch der Untertitel etwas irreführend ist — weil er erstens suggeriert, daß „die“ Kunst einen allgemeinen Prozeß durchgemacht habe, womit zweitens die Behauptung verknüpft ist, es hätte eine Kunst im Widerstand gegeben —, so liegt mit dem Buch doch erstmals eine Veröffentlichung vor, die sich ausschließlich dem Bezug der Bildenden Kunst zum Ersten Weltkrieg widmet. Hinzu kommt, daß das mit einem umfassenden Anspruch getan wird. So ist zwar der Teil, der die Geschichte des Ersten Weltkriegs einleitend umreißt, vor allem auf Oldenburg, wo auch die dazugehörige Ausstellung gezeigt wurde, bezogen, der Rest des Buches ist aber um einen Gesamtüberblick bemüht. Daß sich die sprichwörtliche Euphorie auf die Nachricht vom Kriegsausbruch hin vor allem auf die Jugend sowie die Intellektuellen und Künstler bezog, dürfte bekannt sein. Fast alle Künstler wollten irgendwie dabeisein, meldeten sich freiwillig, ließen sich reaktivieren oder machten, wenn sie zu alt waren, Frontbesuche, um an diesem Ereignis teilzuhaben. Niemand wollte abseits stehen. Der Krieg wurde zunächst als Chance gesehen, neue Inspiration zu sammeln, den Staub aus den Akademien und Sezessionen zu pusten und manchmal auch seinen privaten Problemen zu entkommen. So war es zumindest im Fall Heinrich Vogeler, der seinem Jugendstil-Ruhm nachtrauerte und seine Ehe als aussichtslos empfand. Vogeler erlebte den Krieg nicht als Krieger, sondern war zum Malen freigestellt. Den-noch ließ auch seine Begeisterung nach, als sich der Krieg in die Länge zog und die Aussicht auf den Sieg schwand. Daß er sich dann mit einer Friedensnote an den Kaiser wandte, war eine Ausnahme unter den Künstlern. Neben der unmittelbaren Reflexion des Kriegserlebnisses gab es noch so etwas wie die Kunst der Heimatfront. Dazu gehörten Karikaturen und Plakate (aber auch Postkarten, die hier leider keine Beachtung finden). Erstere dienten vor allem der Festigung des Durchhaltewillens der Bevölkerung und der Werbung für Kriegsanleihen. Dabei wurden sehr moderne Formen der Werbung (der Kopf Hindenburgs war ab 1916 allgegenwärtig) eingesetzt und auf erstklassige Qualität geachtet. Karikaturen fanden sich in den klassischen Satiremagazinen wie Simplicissimus und Jugend, die jetzt allerdings nicht mehr die Verhältnisse im Reich aufs Korn nahmen, sondern den Kriegsgegner. An dieser Stelle muß auch der Herausgeber und Verfasser des Haupttextes, Bernd Küster, zugeben, daß die deutsche Propaganda in der Verunglimpfung des Gegners sehr mäßig vorging und die Eskalation nicht wollte. Der Krieg wurde als eine Kulturmission begriffen, die sich nicht durch unlautere Mittel als barbarisch entlarven durfte. An solchen Punkten ist bei Küster leider ein mangelndes Einfühlungsvermögen in die damalige Situation zu spüren. Sei es die anfängliche Kriegsbegeisterung, der freiwillige Verzicht auf Kritik oder die bleibende Disziplin der Truppe. Küster steht dem verständnislos gegenüber. Er hat weder ein Gespür für die geistige Situation der damaligen Zeit noch für die Gefühlslage des einzelnen Künstlers. Nur so kann man zu der merkwürdigen These gelangen, daß die „kulturelle Sprache der kriegsteilnehmenden Generation“, der Expressionismus, „nahezu synonym mit Kriegsgegnerschaft, mit Pazifismus“ war. Heinrich Vogeler, an dessen Lebenslauf diese These sich offenbar orientiert, ist durch seine Nähe zum Bolschewismus alles andere als ein typischer Fall. Glücklicherweise kann Küster diese These selbst nicht belegen, so daß das Buch (insbesondere auch die enorme Bandbreite der Bilder) eher einer anderen Deutung entspricht. Franz Marc sah den Krieg (und auch den Frieden) als eine „Art naturgegebenen Zustand“, nicht als Abnormität. Der Einzelne kann sich dem lediglich im Glauben oder der Kunst entziehen. Marc selbst sah im Krieg „sogar den heilsamen, wenn auch grausamen Durchgang zu unseren Zielen“. Er kommt mit seiner Deutung, die sich auch in seinen berühmten Feldbriefen findet, dem klassischen Verständnis des Krieges nahe. Er gehört zum Menschen und ist in der Lage, in ihm die höchsten, aber auch die niedrigsten Gefühle zu wecken. Die Kunst ist nur ein Abbild davon. Bernd Küster (Hrsg.): Der Erste Weltkrieg und die Kunst. Von der Propaganda zum Widerstand. Merlin Verlag, Gifkendorf 2008, gebunden, 240 Seiten, Abbildungen, 28 Euro Fotos: Otto Fischer-Trachau, „Toter Franzmann vorm Drahtverhau“, Givenchy 1916: „Grausamer Durchgang zu unseren Zielen“; Theodor Rocholl, „Verwundete Soldaten mit Sanitäter“, Gouache 1915: Auch viele Künstler wollten „irgendwie dabeisein“

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