Wer vergriffene Bücher sucht, findet ZVAB!" Mit diesem höchst doppeldeutigen Sprüchlein kurbelt das Zentralverzeichnis antiquarischer Bücher gegen Ende seines Jubiläumsjahrs noch einmal die Werbung an. Doppeldeutig: Denn man findet zwar ZVAB, das 1996 eingerichtete größte Internetportal für deutschsprachige Gebrauchtbücher, wo mehr als tausend Antiquare ihre Schätze ausbreiten, doch das vergriffene Buch findet man dort immer seltener.
Wer das ZVAB seit langem nutzt, weiß, daß sich dort seit fünf Jahren ein Abwärtstrend entwickelt. In zahlreichen Sparten fehlt schlicht der "Nachschub". In den letzten beiden D-Mark-Jahren, als das Portal ein Angebot von nie wieder erreichter Breite aufwies, scheinen die besten Buchreserven in die Verkaufsschlacht geworfen worden zu sein.
Das gilt für naturwissenschaftliche Werke des 19. Jahrhunderts, für Reiseliteratur, vornehmlich die ostindischen Archipele und Ozeanien betreffend, für deutsche landeskundliche Werke, zumal solche, die sich den preußischen Ostprovinzen widmen, aber selbst für zeitgeschichtliche Standardwerke der fünfziger und sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Nicht einmal das Gros des Massenlesefutters der Courths-Mahler-Ära ist mehr "im Netz" gefangen. Ebensowenig wie die Kinder- und Jugendliteratur der wilhelminischen Zeit, von jener der "Tausend Jahre" zu schweigen. Zu schweigen auch von jüdischem wie antijüdischem Schrifttum zwischen 1812 und 1945.
Die Garagen und Dachböden leeren sich
Der zweite Negativposten in der Jubiläumsbilanz betrifft das liebe Geld. Antiquarische Bücher sind teurer geworden. Viele Antiquare haben 2002 von D-Mark auf Euro einfach eins zu eins umgestellt. Dazu kommt die Erhöhung der Portokosten. Eine erkleckliche Zahl größerer Antiquariate ignoriert überdies die nationalökonomische Faustregel, wonach der Markt den Preis reguliert. So findet man zuhauf "Mondpreise".
Inzwischen berüchtigt dafür sind die bis zu 1.000 Prozent über der Konkurrenz liegenden niedersächsischen Antiquariate Hirschheydt, Kuballe und Krämer & Hansen. Wer etwa den Fehler macht, das durchschnittlich für 35 Euro angebotene "Böhmen und Mähren-Buch" (1943) bei Reinhard Kuballe zu bestellen, zahlt aktuell fast das Zehnfache. Für eine derartige Preisgestaltung gilt offenbar der Lockruf des laufenden Varieté-Programms im Berliner Wintergarten: "Staunen machen!"
Der eigentlich revolutionäre Ansatz des ZVAB, durch das elektronisch konzentrierte millionenfache Buchangebot höchste Preistransparenz und schärfsten Konkurrenzdruck zu erzeugen, scheint seine volle Kundenfreundlichkeit daher immer weniger entfalten zu können, wenn die "Mondpreise" das allgemeine Preisniveau zumindest beeinflussen. Immerhin kann der Kunde dies heute noch abfedern. Wenn auch nicht mehr so effektiv wie vor 2002, als das ZVAB über das zweite große Antiquariatsportal www.eurobuch.com zu erreichen war. Seitdem haben sich die Wege der Giganten getrennt, und wer jetzt bei ZVAB sucht, muß für den Angebots- und Preisvergleich zu Eurobuch wechseln.
Dies sollte sich übrigens jeder Nutzer zur eisernen Regel machen. Denn über Eurobuch greift man auf das Portal booklooker.de zu, wo sich das Gros der preiswerten Privatanbieter tummelt, die aus verschiedenen Gründen keinen ZVAB-Zugang erhalten. Wenn auch Onkel Ottos Garagen und Tante Bertas Dachböden sich zunehmend leeren, das Angebot sich also auch bei Booklooker erschreckend verschlechtert, bleibt hier Schnäppchenjägers Paradies weiterhin rund um die Uhr geöffnet.