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Feinarbeit

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Ob Weihnachtsfest, ob Ostertag, Händel und sein "Halleluja" gehören dazu. Auch in diesen Tagen trainieren wieder unzählige Dirigenten von Konzert- und Kirchenchören ihre Sopranstimmen, auf daß sie sich möglichst kraftvoll und intonationsfest über lange Haltenoten bis zum zweigestrichenen G hochschrauben mögen: "King of Kings and Lord of Lords …" Das Orchester fährt volle Pulle, von Alt bis Baß abwärts bricht sich Inbrunst und (zumindest kompositorische) Glaubensgewißheit die Bahn, selbst die unscheinbarste Sechszehntel-Note klingt noch wie aus Stein gemeißelt – "… for ever and ever, Hallelujah, Hallelujah!" So wird es erwartet und alldieweil in der Regel auch gesungen und gespielt: immer feste drauf, auf daß sich des Festes Glanz verbreite.

Wer genau das hören möchte, bei dem fällt die Neueinspielung von "The Messiah" (harmonia mundi) unter René Jacobs mit dem (gemischten!) Chor des Clare College aus Cambridge und dem Freiburger Barockorchester womöglich mit Pauken und Trompeten durch – oder genauer: trotz Pauken und Trompeten. Der Chorklang ist leicht, fast federnd, stellenweise nimmt Jacobs die Lautstärkengrade auch in den Halleluja-Akklamationen bis ins Mezzoforte zurück und setzt auf eine abwechslungsreiche dynamische Gestaltung des Satzes.

Diese Aufnahme taugt wenig zum festlichen Hintergrundgedudel unterm Weihnachtsbaum, sondern entbirgt ihren Reiz erst bei genauerem Hinhören, da Dirigent, Chor und Orchester nicht wenig Muse auf musikalische Feinarbeit verwandt haben. Die Meriten stecken also im Detail – hin und wieder stecken da freilich auch die Tücken.

Tückisch etwa erweist sich der Versuch, die Osterarie "I know that my redeemer liveth" als meditativ angehauchten Seelenmonolog zu gestalten. Dazu bremst Jacobs das Larghetto-Tempo auf Kosten der Binnenspannung zeitweilig gnadenlos aus, während die Sopranistin Kerstin Avemo auf das Problem stößt, längere Notenwerte aus der Mezza Voce heraus ohne Vibrato zu attackieren – die Stimme findet nur mit Verzögerung in ihren Fokus und bleibt in den ersten Augenblicken matt. Mit Koloraturwerk bewegt sich die Solistin auf eindeutig sichererem Terrain, wie der Arie "Rejoice greatly, o daughter of Zion" uneingeschränkt überzeugend abzulauschen ist. Daß an anderer Stelle der Zug ins Kontemplative gelingen kann, beweisen die bewegenden Lamento-Passagen der Passions-Arie "He was despised" mit dem wunderbar warm timbrierten Alt von Patricia Bardon.

Neal Davies ist eine gute Wahl für die Baß-Partien. Noch mehr gilt dies in punkto Tenorbesetzung für Kobie von Rensburg, der etwa die Arie "Every valley shall be exalted" sehr koloraturgeläufig und in Phrasierung und Auszierung verfeinert bewältigt. Da sich diese Einspielung an der Londoner Wiederaufnahme des Werkes aus dem Jahr 1750 orientiert, bei der Händel einige Arien umarbeitete und dem Publikumsgeschmack durch ein größeres Aufgebot an Solisten entgegenkam, ist mit Lawrence Zazzo zusätzlich ein Altist beteiligt. Seine mit sinnlich voller Stimme gesungene Arie "But who may abide the day of His coming" besticht nicht zuletzt durch einen theatralischen Impetus und elegant ausgeführte Kadenzen.

Leider drückt die Tontechnik das auf einen transparenten Chorklang eingeschworene englische Vokalensemble etwas in den Hintergrund. Den akustischen Vorteil trägt das Freiburger Barockorchester davon, das sich Jacobs detailverliebte Interpretationsarbeit voll und ganz zu eigen macht, beim Nachspüren von Klangwirkungen aber auch absichtsvoll und betont schroff zu Werke gehen kann.

Insgesamt ist hier eine Einspielung gelungen, die trotz großer Konkurrenz in der Diskographie neugierig gespitzten Ohren Überraschendes bietet.

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