Stammeldeutsch wird in der Sprachwissenschaft weiterhin als neuer „Dialekt“ gefeiert. Nun soll eine breite Öffentlichkeit vom Wert dieser reduzierten Sprechweise überzeugt werden. Im Februar erscheint ein neues Buch der Sprachwissenschaftlerin Heike Wiese. Es trägt den Titel „Kiezdeutsch: Ein neuer Dialekt entsteht“.
In manchen Großstadtvierteln, die von einem hohen Ausländeranteil geprägt sind, hat sich in der ungebildeten Unterschicht eine Pidginsprache entwickelt. Sie zeichnet sich durch einen verringerten Wortschatz und eine verarmte Grammatik aus, also etwa nach dem Muster „Ich Tarzan – du Jane“ oder, in die heutige Zeit übertragen: „Ich Erkan – du Mandy“. Ein solches Stammeldeutsch beschönigt Wiese als „Kiezdeutsch“. Sätze wie „Danach ich geh’ Schule“, „Machstu rote Ampel“ oder „Isch mach dich Krankenhaus“ seien kein Fehler, sondern eine neue Sprechweise.
Die Bundesregierung fördert „Kiezdeutsch“
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt Wieses Arbeit. Offenbar ist es das Ziel, Einwanderern, die an der hochdeutschen Sprache scheitern, dennoch Identität und Selbstbewußtsein zu geben. Statt diese Sprachverlierer an das Hochdeutsche heranzuführen, wählt man den faulen Weg, schlechtes Deutsch einfach zu einer eigenen Sprache zu erheben. Wiese behauptet: „Kiezdeutsch ist kein falsches Deutsch, sondern als besonderer Dialekt mit nachvollziehbaren Regeln eine Bereicherung.“ Es sei ein Dialekt „wie Schwäbisch oder Bayerisch“.
Gemäß dieser Logik ist Stammeldeutsch sogar genauso gut wie Hochdeutsch. Wiese ist Sprecherin des Zentrums „Sprache, Variation und Migration“. Dies ist eine Gruppe von Potsdamer Sprachwissenschaftlern, die leugnen, daß es das Problem doppelter Halbsprachigkeit gibt. In einer Stellungnahme dieses Zentrums heißt es: „Das Standarddeutsche (das sogenannte ‚Hochdeutsch‘) ist … nur eine von vielen Varianten des Deutschen. Es besitzt zwar ein besonderes soziales Prestige, ist jedoch nicht grammatisch ‚besser‘ als andere Varianten.“ Die Sprachwissenschaftler fragen sich jedoch nicht, warum das Stammeldeutsch ein solch niedriges „soziales Prestige“ hat. Darüber nachzudenken könnte sich lohnen!
Die Kreolisierung schafft Verlierer
Die sprachpolitische Gefahr dieser staatlich geförderten Sichtweise ist beträchtlich. Aus einer Pidginsprache kann nämlich eine Kreolsprache erwachsen, in der sich Aussprache, Wortschatz und Grammatik mehrerer Sprachen miteinander vermischen. So bildet sich im Laufe der Zeit tatsächlich eine neue Sprache. Der Traum von der Mehrsprachigkeit wird somit zum sprachpolitischen Albtraum. Die Förderung der Kreolisierung verbaut den Sprachverlierern den Weg zur Bildung und zur Eingliederung ins deutsche Volk. Die sozialen Verlierer bleiben unter sich und bilden eine eigene Welt mit einer eigenen, undifferenzierten Sprache.
Daß es mittlerweile Jugendliche gibt, die sowohl Stammeldeutsch als auch Hochdeutsch sprechen, wertet Wiese als Beweis dafür, daß es sich um zwei verschiedene Sprachen handelt. Man kann dies aber auch andersherum sehen: Immer öfter sehen sich Jugendliche, die des Standarddeutschen mächtig sind, gezwungen, im Gespräch mit Gleichaltrigen in deren reduzierte Sprache zu wechseln, um sich noch verständlich machen zu können.
Sprachschützer als potentielle Kinderschänder
Denn immer mehr Großstadtjugendliche sind nicht mehr in der Lage, differenziert gesprochenes Deutsch zu verstehen. Möglicherweise empfinden diese Sprachverlierer es auch als Ausdruck von Überheblichkeit, wenn gutes Deutsch gesprochen wird, weil ihnen dadurch ihr schwächeres Ausdrucksvermögen bewußt wird. Um kein Unterlegenheitsgefühl hervorzurufen, wechseln Sprecher mit größerem Ausdrucksvermögen in das reduzierte Deutsch. Auf diese Weise breitet sich das Stammeldeutsch als Minimalsprache noch weiter aus.
Wer Kritik übt, macht sich übrigens höchst verdächtig. In einem Agenturbericht lesen wir: „Immer, wenn über ihr Thema etwas in den Medien erscheint, häufen sich Beschimpfungen von Kritikern, die die Reinheit der Sprache gefährdet sehen. Einmal habe jemand gar gedroht, ihre beiden kleinen Töchter zu vergewaltigen, erzählt Wiese und wirkt dabei erschreckenderweise fast schon so, als sei das bereits Routine.“ Sprachschützer werden also auf eine Stufe mit Kinderschändern gestellt. Das macht nun wirklich sprachlos.