Indem Innenminister de Mazière in der vergangenen Woche vor die Kameras trat und „offen“ vor einer erhöhten Terrorgefahr in Deutschland warnte, hat er – wie zu erwarten war – der öffentlichen Hysterie Vorschub geleistet. Bis frühestens Ende November, dem „geplanten“ Anschlagszeitpunkt wird es unweigerlich so weitergehen.
Tradition der Angstschürung
Auch wenn die Medien das Vorgehen des Innenministers als offen loben und es „eindringlich wie nie“ nennen, steht er damit doch in einer bedenklichen Tradition. Erinnern wir uns: Schon sein Amtsvorgänger Wolfgang Schäuble trug die Terrorgefahr stets „offen“ wie eine Monstranz vor sich her, wenn es um die Beschneidung von persönlichen Freiheitsrechten oder, de facto, die Suspendierung des Grundrechts auf Leben durch das Luftsicherungsgesetz ging.
In der Zeit zwischen neuen Gesetzesvorschlägen erfuhr das deutsche Volk aber stets wenig bis gar nichts über die derzeitige Gefährdungslage und die Maßnahmen der Bundesregierung, um der Bedrohung Herr zu werden. Nun mag man sich fragen, wie die Ansprache de Mazières diesbezüglich einzuschätzen ist – angesichts der Tatsache, daß noch an dem Tag, an dem er seine Ansprache hielt, schwerbewaffnete Bundespolizisten an größeren Bahnhöfen Stellung bezogen. Auf meiner Fahrt zum JF-Jungautorenseminar konnte ich mir das selbst ansehen.
Hysterie versus Zynismus
Wie akut ist also die „akute Terrorgefahr“ wirklich? Erwartungsgemäß griff sofort nach der Pressekonferenz öffentliche Unruhe um sich. In den folgenden Tagen kam es bereits zu etlichen Alarmierungen aufgrund herrenloser Gepäckstücke; der Düsseldorfer Bahnhof sowie die Hamburger Bahnhöfe Harburg und Dammtor wurden zeitweilig evakuiert. Die „Wachsamkeit“ der Bevölkerung ist also hergestellt – mit zweifelhaftem Erfolg.
Auf der anderen Seite äußert sich gerade im Internet viel Mißtrauen gegenüber den warnenden Worten de Mazières. Kommentare wie „Tumbe Panikmache!“ sind da noch zahm; bei Spiegel Online forderte man zynisch: „Bespitzelt eure Nachbarn, schaut in die Fenster, die in denen nach Mitternacht noch das Licht brennt, fotografiert Personen die verdächtig erscheinen oder in Zukunft verdächtigt werden könnten […]“, und bei der Zeit fand jemand die harschen Worte: „Ich möchte hiermit auf merkwürdige Gestalten aufmerksam machen, die einer genaueren Beobachtung bedürfen. […] Vorsicht vor diesen Personen, sie geben sich als Volksvertreter aus, was ihr Handeln nur noch perfider erscheinen läßt.“
Cui bono?
Wie man selbst auch zu diesem Thema stehen mag: Es erscheint lohnend, den Blick auf die kommenden Tage und Wochen zu richten. Irgend etwas werden sie definitiv bringen. Das muß nicht unbedingt ein Attentatsversuch sein. Vielleicht sind es auch nur ein paar interessante neue Gesetzesvorschläge…
Mal ernsthaft, selbst wenn man mit einem festen Glauben an die Ehrlichkeit der Politiker an diese Sache herangeht: Was bitte soll denn das alles? Wenn eine tatsächliche Gefahrenlage vorläge, wäre es nicht nur grob fahrlässig, sondern würde schon an Lächerlichkeit grenzen, das alles mit ein paar Mokeln in Panzerwesten und einer (noch mehr) verstärkten Post-, Telefon- und ePost-Überwachung von „Verdächtigen“ abzuhandeln und ansonsten vor jeder „Vorverurteilung“ zu warnen.
Entweder – oder!
Das ist doch alles heiße Luft. Wir alle wissen doch ganz genau, welche – sagen wir mal – Personengruppe besonderen Drall hin zum islamistischen Terror hat. Wenn man über die dasselbe operative Netz werfen würde, wie es dem „Krampf gegen Rechts“ zur Verfügung steht, würde das nicht nur etwaige Dschihadisten lahmlegen, sondern hätte auch eine gehörige abschreckende Wirkung. Sogar auf die rotzfrechen Paßdeutschen da draußen.
Einem bekannten Satz von Carl Schmitt zufolge ist in einem Staat derjenige der Souverän, der „über den Ausnahmezustand entscheidet“. Schon seit längerer Zeit kommt es mir so vor, als seien tatsächlich die Islamisten der Souverän, zumindest hierzulande. Und zumindest solange, bis hiesige Politiker endlich einmal das (vordergründige) Herumstottern und die (hintergründige) Ränkeschmiede einstellen.
Schlimmstenfalls wäre mit der zeitweiligen Ausrufung eines echten Ausnahmezustands und dem damit einhergehenden Durchgreifen einer echten Bedrohung weitaus schneller und effizienter abgeholfen, als mit der Einrichtung des Ausnahme- als Normalzustandes und der immer festeren Einschnürung persönlicher Freiheiten.
Und danach könnte man sich sogar vor die Presse begeben und „offen“ bekennen, endlich einmal etwas vollbracht zu haben.