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Zivilcourage

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Weißmann, Reich, Republik, Nachkriegsrechte

Mein Unwort der letzten Jahre heißt: Zivilcourage! Ursprünglich ist es ein schönes Wort. Man denkt an Männerstolz vor Königsthronen; an Voltaires: Ich verabscheue Ihre Meinung, aber ich werde mein Leben daran setzen, daß Sie sie frei äußern können!; an den Mut, für ethische Überzeugungen einzustehen, und das gegen eine überwältigende Staatsmacht, gegen die Mehrheitsinstinkte der Meute und im vollen Bewußtsein eigener Gefahr!

Doch hat jahrelanger Mißbrauch das Wort verdorben. Zivilcourage ist heute eine öffentlich geförderte und subventionierte Massenbewegung und damit in ihr Gegenteil verkehrt. Sie schielt darauf, was seitens des Staates, der gesellschaftlichen Großorganisationen und vor allem der Medien als opportun gilt, sie strebt nach öffentlicher Anerkennung, schneller Prämie und Festanstellung und ist empört, wenn sie ausbleiben.

Sie scheut das persönliche Risiko und darf, wenn sie auf frischer Tat beim Gesetzesbruch ertappt wird, mit einem Bonus rechnen, der bis zur Straffreiheit geht. Schließlich führt sie nur aus, was höhererseits insinuiert und von ihr erwartet wird, sie ist im Kern opportunistisch. Sie ist eng an die Zivilreligion gekoppelt und überführt deren Gebote und Implikationen in politisches und gesellschaftliches Handeln.

In Militanz überführte Konformität

Verweigerte Rezensionsexemplare oder Freikarten für Theaterpremieren zählen zu den harmloseren Beispielen. Drohanrufe an Vermieter, die daraufhin fest vereinbarte Versammlungsräume kündigen, bedeuten eine Steigerung der Unannehmlichkeit. Wo die Zivilcorage aufmarschiert, riecht es nach Petzerei, Gesinnungsschnüffelei, Denunziation, nach Anzeigen wegen Volksverhetzung. Sie ist die in Militanz überführte Konformität und ästhetisiertes Mitläufertum.

Nur eines ist sie nicht: couragiert! Courage läßt sich nun mal nicht heucheln, sie muß in Bewährungssituationen gelebt werden. Daran dachte ich beim Anblick einiger Zeitungsausschnitte aus dem Lokalteil der Frankfurter Rundschau und der Offenbachpost, die mir ein um die Hebung meines Informationsstandes stets besorgter JUNGE-FREIHEIT-Leser zugeschickt hatte. Demnach wurde vor zehn Tagen im hessischen Neu-Isenburg ein Punkkonzert überfallen, und zwar im „Club Voltaire“.

Die Täter, 20 Männer zwischen 16 und 22 Jahren, waren „größtenteils türkischer oder marokkanischer Herkunft“ und „im Bushido-Look mit Jogging-Hosen, Pullover oder T-Shirt und Goldkettchen“ gekleidet. Sie seien, heißt es, „hintereinander wie bei einer Polonäse reingekommen, hätten sich im Konzertraum im Halbkreis aufgestellt und wahllos und ohne jeden Grund auf Umstehende eingeprügelt, die in Reichweite ihrer Fäuste gewesen seien“.

Zivilcourage  als Totalausfall

Einer der über hundert Besucher äußerte sich schockiert: „Das war ein regelrechter Überfall, damit hat überhaupt keiner im Voltaire gerechnet. Dort ist doch meist die linke Szene vertreten und die sind eher Pazifisten.“ Die Zivilcourage, die in dieser Szene grassiert wie der Heuschnupfen unter Allergikern, erwies sich trotz fünffacher Übermacht als Totalausfall.

Doch wo die Gefahr ist, wächst das Rettende auch. Die Offenbachpost teilte mit: „Es gibt in dieser Woche aber auch Positives zu vermelden. Es fielen nicht nur jene auf, die den gesellschaftlichen Frieden gestört haben, sondern auch solche, die sich für ein friedliches Miteinander der Kulturen einsetzen. Die achte Woche der Toleranz und Mitmenschlichkeit wird ab 22. Juni in der Hugenottenstadt veranstaltet und findet mit dem ‚Tag der Nationen‘ ihren Höhepunkt und Abschluß.“ Verdient soviel Dummheit überhaupt noch Mitleid?

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