Vermutlich war Hans-Martin bis zum vergangenen Samstag ein ganz normaler Mensch. Ein bißchen erfolgreicher und ehrgeiziger, aber ansonsten durfte er das alltägliche Leben eines jungen Erwachsenen führen. Das hat sich nun geändert.
Seit ein paar Tagen ist Hans-Martin der „Haß-Martin“. Der Student hat am Wochenende in der Sendung „Schlag den Raab“ den bekannten Musiker und Fernsehstar besiegt und damit 500.000 Euro gewonnen. Das ist bisher nur wenigen Gegnern Raabs gelungen.
Hans-Martin ist aber auch noch etwas anderes gelungen. Er hat Deutschland gegen sich aufgebracht. Selbstsicheres Auftreten, Ehrgeiz und Verbissenheit, demonstrativ zur Schau gestellt, kostete den Pharmazie-Studenten schon in der Sendung Sympathien. Bei einem Beifalltest stellten sich die Zuschauer auf die Seite Raabs, der sogar nach seiner Niederlage den Kandidaten vor allzu vielen Buh-Rufen in Schutz nahm.
Haß-Martin-Gruppe bei Facebook
Was im Fernsehen lief, ist nichts gegen die Beschimpfungen, die inzwischen online laufen. Bei Facebook gibt es eine Haß-Martin-Gruppe, bei Twitter wird ihm Prügel gewünscht, und in anderen Foren gilt er als „der Arsch“ schlechthin. Das so etwas definitiv zu weit geht, ist klar. Als Arnold Schwarzenegger einmal in einem Fernsehinterview auf einen Anti-Schwarzenegger-Club angesprochen wurde, konterte der noch cool: Fanclubs hat jeder, erst wenn man wirklich oben ist, gibt es einen Anti-Fanclub. Inzwischen kann es jeden treffen.
Durch das Internet haben Haß-Seiten und Haß-Gruppen zugenommen. Die Anonymität erlaubt es jedem, ohne Hemmung über andere herzuziehen. Gerade Menschen, die keine Medienprofis sind, lassen sich mit schöner Regelmäßigkeit der Masse zum Fraß vorwerfen. Ganze Sendeformate wie Popstars, Big Brother, We are Family, Frauentausch oder nachmittägliche Talkshows leben davon.
Nicht Warhols „15 Minuten Ruhm“ winken, sondern soziale Vernichtung. Die Möchtegernstars dürfen sich dann für wenige Wochen öffentlich produzieren. Anschließend wird jede Peinlichkeit in die Medien gezerrt, bis dann die Betroffenen zum Abschuß freigegeben sind. Wenn sie Glück haben, verschwinden sie schon bald in der Vergessenheit.
Haß-Martin hat noch Glück. Im Gegensatz zu vielen anderen hat er mit vertretbarem Aufwand fleißig abgesahnt. Dafür muß er sich einiges anhören: In einem Forum wird sogar behauptet, er sehe aus wie ein FDP-Kreisvorsitzender. Schlimmer geht es kaum noch.