Von unserer Seite gibt es keine Vorbedingungen für die Verhandlungen mit dem IWF“, so Ungarns Regierungschef Viktor Orbán am letzten Sonntag gegenüber der ungarischen Nachrichtenagentur MTI. Dieses Bekenntnis ist der vorläufige Höhepunkt eines verzweifelt geführten Kampfes der ungarischen Regierung um nationale Unabhängigkeit.
Während die Fidesz-Regierung die bittersten Stunden ihrer Amtszeit durchlebt, demonstrieren Vertreter von IWF und EU ihre harte Haltung: „Wir werden von unseren Positionen nicht abrücken, wir werden keine Kompromisse eingehen, gleichzeitig werden wir aber auch nicht vom Verhandlungstisch aufstehen“, unterstrich etwa IWF-Chefin Christine Lagarde in einem CNN-Interview.
EU-Währungskommissar Olli Rehn macht dagegen klar, daß die Klärung der Frage des neuen ungarischen Notenbankgesetzes „die Vorbedingung für weitere Verhandlungen“ sei. Das noch Ende 2011 verabschiedete Gesetz, das auch eine Verschmelzung der Ungarischen Nationalbank (MNB) mit der Finanzmarktaufsicht und die Degradierung des bisherigen MNB-Präsidenten András Simor vorsieht, steht bei Kritikern in dem Ruf, es würde die Unabhängigkeit der Nationalbank gefährden.
Verhandlungen mit dem IWF
Ein erstes Sondierungsgespräch zwischen IWF und ungarischer Regierung war im Dezember gescheitert, weil sich die Regierung damals noch geweigert hatte, Änderungen am Notenbankgesetz vorzunehmen. Nicht zuletzt wegen dieser Absage machten die Märkte nun klar, wer wirklich das Sagen hat: Als letzte der drei großen Ratingagenturen verpaßte nun auch Fitch Ungarns Bonität den Ramschstatus. Einen Tag zuvor sank der Forint auf ein Rekordschwächeniveau: Für einen Euro mußten kurzzeitig 324 Forint bezahlt werden – noch im Mai waren es nur 263. Parallel dazu schossen die Ausfallversicherungen für ungarische Staatsanleihen auf Rekordhöhe.
Da Ende 2011 sämtliche Hoffnungen zerstoben waren, die Finanzierung der ungarischen Staatsschulden mit chinesischer oder saudischer Hilfe abzusichern, blieb für die Regierung Orbán nur noch eine Alternative zum sich erschreckend real abzeichnenden Staatsbankrott: die sofortige Aufnahme und der rasche Abschluß von Verhandlungen mit dem IWF. Das gleiche gilt für die Verhandlungen mit der EU.
Bedingungslose Kapitulation
Die bedingungslose Kapitulation vor dem äußeren Druck kommt für die ungarische Regierung einem totalen Debakel ihrer im Sommer 2010 eingeschlagenen Wirtschaftspolitik gleich. Eines ihrer wesentlichen Elemente war der Versuch, bei der Konsolidierung der – durch die Weltwirtschaftskrise, aber vor allem das Mißmanagement und die gewaltigen Veruntreuungen unter den acht Jahre zuvor regierenden sozialistischen Regierungen – lädierten Staatsfinanzen nicht wie bisher den einfachen Steuerzahler zur Kasse zu bitten, sondern über Sondersteuern und andere Maßnahmen in erster Linie Banken und andere vermögende Großunternehmen.
Der IWF hätte zu einigen der Maßnahmen sicher seinen Segen verweigert, so fror die Orbán-Regierung im Sommer 2010 die Zusammenarbeit mit dieser Finanzorganisation vorsichtshalber ein und finanzierte sich seitdem frei über die Finanzmärkte.
Die Probleme begannen jedoch, als aus einigen anfänglichen „unorthodoxen“ Maßnahmen im Laufe der Zeit eine komplette unorthodoxe Wirtschaftspolitik wurde. Besonders seit letztem Sommer sorgte Wirtschaftsminister György Matolcsy im Wochentakt für nicht selten widersprechende Überraschungen – sollte zuerst mittels „Flat-Tax“ der Konsum belebt werden, lähmen nun 27 Prozent Mehrwertsteuer. Schritt für Schritt sägte Matolcsy damit am Vertrauen gegenüber dem Wirtschaftsstandort Ungarn.
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Jan Mainka ist Chefredakteur und Herausgeber der Budapester Zeitung und der Budapest Times.