Wenn es in der Oper eine Stimmlage gibt, die sich „ganz unten“ abrackern muß, dann ist es der Baß: dramatisch diskriminiert. Zwar gibt es — angeführt vom salbungsvollen Sarastro aus der „Zauberflöte“ — einige nette Rollen mit dankbaren Arien, aber der ganz große Applaus ereilt fast immer die anderen: Sopran, Mezzo, Alt, Tenor, Bariton. Und die bekommen deshalb auch zumeist die Plattenverträge für Soloalben in die Hand gedrückt. Deshalb mag es auf den ersten Blick verwundern, wenn unter dem Dach von Universal Music plötzlich zeitnah gleich zwei Bassisten ihre Kunst präsentieren können. Der eine, René Pape, ist schon lange im Geschäft. Der andere, Erwin Schrott, ist der Lebensgefährte von Anna Netrebko. Letztere Feststellung mag, zugegebenermaßen, ein wenig infam klingen. Denn ebenso wie man feststellen mag, daß eine Partnerschaft mit der Starsopranistin der eigenen Karriere förderlich sein kann, muß man auch feststellen, daß der Mittdreißiger deutscher Abstammung aus Uruguay auf der schlicht nach ihm benannten Decca-Scheibe stimmlich sehr gutes Material ins Feld führt: klangschön, dunkel, rund und dennoch mit einer gewissen Leichtigkeit gesegnet. Schrott bestreitet ein Programm aus Werken von Mozart, Verdi, Gounod, Berlioz und Meyerbeer. Dabei macht das Hören von Leporellos „Registerarie“ aus dem „Don Giovanni“, aufgeboten mit Witz und feiner Gestaltung, rundweg Spaß. Wenn der Sänger als Banco aus „Macbeth“ seinen Baß in der Passage „Come dal ciel“ strömen läßt, dann bringt er die düster dräuende Stimmung des Augenblicks tongenau auf den Punkt. Solch überzeugenden Momenten stehen aber andere Darbietungen gegenüber, in denen sich Schrott womöglich erst noch eine echte Rollendurchdringung gewinnen muß, um damit auf der Klangbühne zu punkten. Etwa bei Don Giovannis „Champagnerarie“ — nett und sicher gesungen, aber schlicht zu kurz gereift, zu früh entkorkt. Hier stellt Schrott eher einen Wechsel auf die Zukunft aus, als daß es im Augenblick bereits überzeugen könnte. Das gilt auch für die große Szene des Königs aus Verdis „Don Carlo“, zumal es sich hierbei um eines jener Stücke handelt, die ebenso René Pape zum besten, genauer: zum besseren gibt. Schrott singt die französische Originalversion „Elle ne maime pas“ zwar schön gestaltend, aber der Abgrund der Resignation, der die königliche Klage in die Todessehnsucht treibt, offenbart sich erst bei Pape, der mit seinem „Ella giammai mamò“ zur italienischen Fassung greift. Daß Sebastian Weigle am Pult der sehr nuancenreich spielenden Dresdner Staatskapelle die Szene auch orchestral überlegter gestaltet als das Orquestra de la Comunitat Valenciana unter Riccardo Frizza, läßt das Pendel noch mehr in Richtung jenes Konzeptalbums ausschlagen, welches René Pape unter dem Titel „Gods, Kings & Demons“ (Deutsche Grammophon) vorlegt. Es schlägt einen reichen Bogen durch das benannte Personal. Mephisto-Figuren aus den Faust-Opern von Gounod, Boito und Berlioz sind ebenso vertreten wie der Dämon aus der gleichnamigen Oper von Anton Rubinstein, der Wassermann aus Dvoráks „Rusalka“ oder der Rheingold-Wotan. Der an der Berliner Staatsoper engagierte Bassist haucht mit seinem Timbre aus schimmernder Bronze all diesen Figuren Leben ein und schreckt auch vor gestalterisch anspruchsvollen Stücken wie dem großen Monolog des Königs Marke aus Wagners „Tristan“ nicht zurück, der ebenso spannungsreich eingespielt worden ist wie die gewaltige Todesszene des Zaren, die Mussorgskys „Boris Godunow“ beschließt. In ihrer verzehrenden Intensität stellt die zugleich den bravourösen Schluß dieser rundum gelungenen Scheibe dar.