WARSCHAU. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat Verständnis für den Beschluß der polnischen Regierung geäußert, ab kommendem Montag die Grenzen zu Deutschland vorübergehend zu kontrollieren. „Wir haben hier ein gemeinsames Problem, das wir gemeinsam lösen wollen“, unterstrich der Christdemokrat laut der Nachrichtenagentur dpa. Er stehe mit der polnischen Regierung „in ganz engem Austausch“.
Polens Ministerpräsident Donald Tusk bezeichnete die anstehenden Kontrollen als „Notwendigkeit“. Grund dafür seien die jüngst erlaubten Zurückweisungen illegaler Migranten durch die Bundesregierung. „Diese Änderung führte zu Spannungen und zum Gefühl einer Ungleichbehandlung“, monierte Tusk nach einer Kabinettssitzung. „Ich habe Deutschland bereits im März gewarnt und auch Merz Bescheid gegeben, daß wir nach der Einführung einseitiger Kontrollen durch Deutschland mit unserer Geduld am Ende sind.“ Auch die Grenze zu Litauen soll kontrolliert werden.
„Polens Behörden haben aufgegeben“
Seit Wochen steht Tusks Mitte-Links-Regierung wegen der Lage an der deutsch-polnischen Grenze unter Druck. Bereits am Montag hatte der Vizepräsident des Parlamentsunterhauses, Krzysztof Bosak von der Konföderation, die Einführung der Grenzkontrollen gefordert. „Bis dahin hat Polen keine offizielle Möglichkeit, sie zu stoppen“, mahnte er auf X. Der polnische Grenzschutz wolle indes nicht bekanntgeben, wie viele Migranten die Bundespolizei an das Land überstellt habe. Die deutschen Beamten teilten mit, vom 1. Mai bis 15. Juni insgesamt 1.087 Migranten an den Grenzübergängen zu Polen zurückgewiesen zu haben.
Kilka wstępnych wniosków po wizytacji na zachodniej granicy i w @Straz_Graniczna w Szczecinie:
1. Straż Graniczna nie chce podać ilu imigrantów przejęła od Niemiec.
2. Dopóki Polska nie wprowadzi kontroli granicznej nie ma formalnej możliwości ich zatrzymać.
3. Wokół…
— Krzysztof Bosak 🇵🇱 (@krzysztofbosak) June 30, 2025
Die polnische Gruppe „Bewegung zur Verteidigung der Grenzen“ kontrolliert indes nach eigenen Angaben die Arbeit der Grenzbehörden. Sie wirft Deutschland vor, Migranten gezielt in Polen abzusetzen und es somit nicht nur bei Zurückweisungen zu belassen. Videoaufnahmen zeigen, wie die Mitglieder und Sympathisanten an den Grenzübergängen stehen. „Die polnischen Behörden haben aufgegeben, die Menschen zu kontrollieren“, beklagte ein Mitglied der Bewegung gegenüber dem Nachrichtenportal Wirtualna Polska. Der polnische Grenzschutz weist die Vorwürfe zurück. Demnach hätten die Beamten im Westen und Südwesten seit April 250 Personen im Zusammenhang mit der illegalen Migration festgenommen.
Auch Afghanen und Syrer werden zurückgewiesen
Im vergangenen Jahr hatte die Bundespolizei an der deutsch-polnischen Grenze insgesamt 16.148 illegale Grenzübertritte registriert und 9.387 Migranten die Einreise verweigert. Die Hälfte von ihnen besaß die ukrainische Staatsbürgerschaft. Zudem versuchten auch 580 Afghanen, 470 Syrer, 377 Georgier und 234 Inder, die deutsch-polnische Grenze zu überschreiten.
Jüngst hatte ein Messermord in Polen die Debatte um illegale Migration erneut angeheizt. Dort war eine Studentin in Thorn vergewaltigt und ermordet worden. Der mutmaßliche Täter ist ein 19jähriger Venezolaner, der sich seit dem Auslaufen seiner Touristenkarte im Mai illegal in Polen aufhält. Unmittelbar nach der Tat hatten Nationalisten in der Stadt einen spontanen Protest gegen Einwanderung mit rund 200 Personen abgehalten. Zu den Slogans gehörte unter anderem „Stop der migrantischen Barbarei“. (kuk)