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Das Ziel ist der Genozid

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Cato, Palmer, Exklusiv

Die Militärspitze der dritten Armee, des für den Kosovo zuständigen Teils der serbischen Streitkräfte, ist seit dem Jahreswechsel umbesetzt. Geändert an der militärischen Vorgehensweise im Kosovo hat sich allerdings wenig, und das war auch nicht zu erwarten. Denn General Nebojsa Pavokovic, der nun die dritte Armee führt, ist den Kennern der serbischen Truppe als „Falke“ bekannt. Erst am Wochenende wurde durch die serbische Polizei, vermutlich aus Vergeltung für Angriffe der kosovo-albanischen Befreiungsarmee, ein Massaker an der Zivilbevölkerung in Racak verübt. Über vierzig Zivilisten wurden auf brutalste Weise massakriert aufgefunden. Ein Beispiel , daß sich trotz Friedensabkommen an der brutalen Vorgehensweise der Serben gegen die Zivilbevölkerung nichts geändert hat.Doch muß dem Analytiker der militärischen Situation im Kosovo klar sein, daß es eine militärische Lösung für einen Konflikt, in dem eine Seite auf den Partisanenkrieg setzt, nicht gibt. Dies könnte die serbische Seite anders sehen. Denn ein Genozid an der vorwiegend albanischen Wohnbevölkerung mag der Führung in Belgrad als Problemlösung erscheinen. So kann der Beobachter der Entwicklungen im Kosovo weiterhin mit barbarischen Starfaktionen gegen die Kosovoalbaner rechnen, die Einschüchterung und Selbstverleugnung zum Ziel haben. Befreiungsarmee der Albaner wieder erstarkt Die relative Ruhe der letzten Wochen hat zu einer Reorganisation und zu einem Wiedererstarken der albanischen Befreiungsarmee UCK geführt. Daß diese Organisation eigentliches Ziel der Aktionen der serbischen Armee und Polizeitruppe sein müßte, bestätigte der österreichische Major Walter Feichtinger, ein Experte der „Projektgruppe Internationale Friedenssicherung“. Es müsse die militärische Aufgabe der Serben sein, die UCK zu schwächen, die sich seit der Holbrooke- Milosevic Vereinbarung regenerieren, sich besser bewaffnen und neuen Kämpfer rekrutieren konnte. Vor allem konnten sie in die von den Serben kurzfristig gesäuberten Gebiete zurückkehren. Es scheint den Serben darum zu gehen, der UCK und den Kosovoalbanern den politisch-militärischen Lebensraum zu entziehen. Schon bisher sind etwa 18.000 Häuser der Kosovo-Albaner zerstört worden. Dennoch ist diese Vorgehensweise nicht von Erfolg gekrönt. Denn wie das brutale Vorgehen der deutschen Wehrmacht auf dem Balkan nicht dazu geführt hat, den Widerstand der dortigen Bevölkerung zu brechen, werden vermutlich auch die serbischen Offensiven an dem organisierten Widerstand der in Partisanenmanier kämpfenden UCK-Rebellen scheitern. Wenn es auch die langfristige Taktik der Serben sein sollte, den Partisanen das Lebensumfeld zu komplizieren, treibt sie doch die Bevölkerung zu einer Koalition und Zusammenarbeit mit den Freiheitskämpfern. Der Nato-Oberbefehlshaber Wesley Clark meinte kürzlich hierzu: „Selbst eine überlegene Macht kann sich nicht auf Dauer gegen eine ihr feindlich gesonnene Bevölkerung durchsetzen.“ Dies gilt auch, wenn die momentane Stärke der serbischen Militärkräfte in der Region relativ hoch ist. Es sind 25.000 Mann – 15.000 Militärs und 10.000 Spezial-Polizeikräfte. Wenn auch die Serben sich im Laufe der Kampfhandlungen auf die Taktik der Partisanen besser einstellen können, bleibt doch die Moral der Truppe, die keinem offen agierenden Feind gegenübersteht und schmerzende Verluste nach jedem Partisanenschlag zu beklagen hat, ein Problem. Ein Vorteil der Partisanen ist ihre neuerdings verbesserte Ausrüstung für ihren Guerillakrieg. So sind sie zum Beispiel mit dem präzisen amerikanischen Barat-Schafschützengewehr ausgerüstet. Die personelle Stärke der UCK ist unbekannt. Jedoch bildet das Zentrum eine im slowenischen und kroatischen Sezessionskrieg kampferprobte Gruppe, schon in der jugoslawischen Armee gut ausgebildeter Militärs. Es soll sich hierbei um etwa 1.000 Soldaten und Offiziere handeln. Daneben existiert ein Heer von tausenden Unterstützern, zum Teil getarnt als Zivilisten, welche die UCK für die Serben zu einer unberechenbaren Größe macht. Zum militärischen Kern der Truppe werden etwa 20.000 Mann gezählt. Um die Widerstandskraft und die Unterstützung durch die Bevölkerung zu zermürben, kommt der Mord an Enver Maloku, dem Direktor der Pressestelle, der albanischen Demokratischen Liga, gerade recht. Doch werden zunehmend die Zivilbevölkerung und die Städte hierdurch in das Zentrum des Konflikes gerückt. So haben die Serben gerade in den vergangenen Tagen die Straßenverbindung nach Pristina blockiert. Die Angst der Bevölkerung wächst, daß es hier zu einem zweiten Sarajewo kommen könnte. Der Mord an dem Demokraten Enver Maloku, einem Weggefährten des gemäßigten Ibrahim Rugova, ist eine von mehreren Gewalttaten in Pristina seit Weinachten. Bevölkerung befürchtet die Zerstörung der Städte Zu Silvester konnte die Bevölkerung in der Stadt hören, was es an Waffen gibt. Es wurde zwar noch ins Leere geschossen, aber der Geräuschpegel mußte die Menschen beängstigen, weiß ein Albaner zu berichten, der zum Jahreswechsel in Pristina war. Von einer lebenden Gemeinschaft kann für die Stadt schon lange nicht mehr gesprochen werden. Die Menschen fürchten, abends vor die Türe zu gehen. Öffentliche Versammlungen sind ohnehin nicht gestattet. Auch gibt es keine Dia-Vorträge, Liederabende oder Straßenfeste so wie früher. Die Kinos in der Stadt stehen leer. Auch das Publikum für das Nationaltheater, das noch vereinzelt Stücke gibt, bleibt aus. Von einer parallelen Gesellschaft der Albaner, von der im Sinne einer Autonomie immer gesprochen wurde und wird, ist in Pristina nichts realisiert. Die „Republika e Kosoves“ ist eine Alternativ-Organisation und lebt in Rahmen des Schriftstellerverbandes oder in über die ganze Stadt verstreuten, kleinen Parteibüros. Dies sind alles Plätze ohne höhere Resonanz in der Bevölkerung. Auch die Jugend trifft sich eher in Cafés zur belanglosen Konversation, als daß sie sich politisch engagieren oder verwickeln will. Als Verwaltungseinheit ist die Stadt nicht mehr existent. Wer hier Bürgermeister ist, scheint unbekannt. Die Häuser sind zum Teil zerschossen. Der Müll türmt sich auf, weil sich keiner darum kümmert. Auch wenn es keine offiziellen Baugenehmigungen gibt, wird dort, wo Platz ist und ein Interesse besteht, gebaut. Nur durch Schmiergelder an die Polizei gewährleistet man, daß nicht jemand von der „Behörde“ dafür sorgt, daß die Gebäude wieder eingerissen werden. So entstehen ganze Straßenzüge, ohne Anschluß an die Kanalisation oder an fließendem Wasser. Auch bilden sich an den Stadträndern Slums. Die Jugendlichen in Pristina sind nicht engagiert Die vorherrschende Macht in Pristina sind die Serben, die sich bei ihren Razzien gegen die albanischen Wohnbevölkerung nicht zimperlich aufführen und so Haß und Mißgunst bei den Menschen fördern. Insbesondere bei denen, die kein Serbisch können. Doch sind die jungen Albaner in Pristina nicht so engagiert wie ihre Brüder und Schwestern auf dem Land. Auch wenn sie weder arbeiten noch studieren können, oder gerade deswegen, sitzen sie tagsüber in den Cafés und lesen die Zeitungen. Sie haben Angst davor, daß der Kampf in die Stadt hineingetragen wird. Die Stadt Pristina ist erst in den 70er Jahren entstanden. Die Staatsmacht in Belgrad bescheerte der Provinz Ende der 60er Jahre eine Blütezeit. 1970 enstand die albanische Universität, danach eine Akademie der Wissenschaft und Künste, ein Hotel. Der Name des damaligen Bürgermeisters Nazmi Mustafa ist den Menschen in Pristina noch heute im Gedächtnis. Auch sein Verdienst ist es, daß aus der stinkenden Kloake Pristefka am Rande der Innenstadt, wieder ein Fluß geworden ist. Doch 1990 ist Pristina noch nicht ganz in der Hand der Serben. Heute provoziert das serbische Element in der Stadt geradezu die Bewohner, denn die Straßen sind nach serbischen Fürsten und Nationalhelden benannt. Der Große Boulevard heißt „Vidovdanska“, nach dem Schicksalstag der Serben, dem Veitstag. Doch der Name steht provokativ auf albanisch auf dem Schild: Rruga vidovdani. Auch veranstalteten junge Serben nach den ersten Erfolgen ihrer Armee gegen die UCK geradezu Straßenfeste und Autokorsi. Ihre albanischen Altersgenossen schworen daraufhin Rache – etwas, was die Lage in der Stadt künftig weiter destabilisieren könnte. Serbische Nationalhelden schmücken die Schilder Die Trennung zwischen den Albanern und Serben im Alltag ist offensichtlich. Man trifft sich nicht am Arbeitsplatz und auch nicht in der Schule. Wenn möglich, wird die andere Straßenseite benutzt. Auch in Geschäften und Cafés geht man einander aus dem Weg. Dennoch ist auch von der Zeit, in denen Pristina noch eine Stadt war, ein gewisser Respekt zwischen den Volksgruppen geblieben. Denn die Albaner, die früher einen gesellschaftlichen Aufstieg erreicht hatten, taten dies als Belgrader Schüler, indem sie an den Universitäten und im Berufsleben die serbische Sprache und Kultur schätzen lernten. Sie besetzten zum Teil in ihrer Region hervorragende Positionen und dienten damit allerdings auch der serbischen Okkupationsmacht. Doch das Interesse an der anderen Lebensart wächst nicht nach. Es wird heute eher von „slavo-kommunistischen“ Verbrechern und von der Unterdrückung durch die Panslavisten als von einer wohltätigen Kolonialmacht gesprochen. So bleibt langfristig das Gegeneinander im Kosovo erhalten, und der Friede rückt in weite Ferne.

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