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Werner Patzelt, Deutschlands blaues Wunder, AfD

Negative Nachhaltigkeit: Mit der Ampel schritten nur die Krisen fort

Negative Nachhaltigkeit: Mit der Ampel schritten nur die Krisen fort

Negative Nachhaltigkeit: Mit der Ampel schritten nur die Krisen fort

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Ex-Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP): Sie wollten nicht mehr miteinander in der Ampel regieren. (Themenbild/Symbolbild)
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Ex-Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP): Sie wollten nicht mehr miteinander in der Ampel regieren. (Themenbild/Symbolbild)
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Ex-Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP): Sie wollten nicht mehr miteinander regieren. Foto: picture alliance/dpa | Michael Kappeler
Negative Nachhaltigkeit
 

Mit der Ampel schritten nur die Krisen fort

Drei Jahre hielt die selbsternannte „Fortschrittskoalition“ von SPD, Grünen und FDP zusammen. Doch von den Aufbruchsversprechen bleibt nur noch Chaos übrig. Eine Ampel-Chronik von Jörg Kürschner.
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Der Optimismus des Olaf Scholz scheint unerschütterlich. Zumindest äußerlich. „Ich würde mal sagen 60 Prozent“, schätzte der Bundeskanzler kurz vor der Bundestagswahl seine Wiederwahl-Chancen ein. Trotz miserabler Umfrageergebnisse glaubt der unbeliebte Kanzler, der neunte der Bundesrepublik, an eine zweite Chance.

Dabei hatte der Sozialdemokrat seine erste Chance im Spätsommer und Herbst 2021 beherzt ergriffen. Die Wahlniederlage der Union ging einher mit einer orientierungslosen Parteiführung um den gescheiterten Kanzlerkandidaten Armin Laschet. Der Überdruß nach 16 Jahren Merkel-Herrschaft befeuerte das Bedürfnis, neue Wege zu gehen, noch zusätzlich. Eine Koalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, kurz Ampel genannt, entwickelte ihren eigenen Zauber. Die künftigen Koalitionäre gingen an die Arbeit. Sondierungsgespräche, Arbeitsgruppen, Koalitionsverhandlungen, Regierungsbildung. Von einer „Fortschrittskoalition“ war die Rede, Aufbruchstimmung im Regierungsviertel prägte die Vereidigung der neuen Regierung.

Keine drei Monate später hielt die Politik für einen Moment den Atem an. In Deutschland, in der Welt. Am Morgen des 24. Februar 2022 startete Rußland seine völkerrechtswidrige Invasion in der Ukraine. Scholz, der kurz zuvor Präsident Putin noch in Moskau besucht hatte, war gefordert, vermittelte Orientierung. Der Begriff der „Zeitenwende“ wurde geboren. Der Kanzler kündigte ein „Sondervermögen Bundeswehr“ an. Der Haushalt 2022 werde dieses „einmalig mit hundert Milliarden Euro ausstatten“. Deutschland werde „von nun an Jahr für Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts“ in seine Verteidigung investieren. Ein Paukenschlag.

Habecks Klimapolitik konnte nicht überzeugen

Doch die wirkliche Herausforderung steht der Ampel noch bevor. Die erste Fassung des Heizungsgesetzes, vorgelegt von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), sorgt für einen Aufschrei in der Bevölkerung. Ab 2024 sollte möglichst jede neue Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Der Protest formiert sich, auch der Koalitionspartner FDP ist auf der Zinne, das Gesetz wird erst nach längerer Diskussion beschlossen. Immerhin. Die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien steigt binnen Jahresfrist um 11,6 Prozent. Demgegenüber ging die Stromerzeugung aus konventionellen Energieträgern um etwa 25 Prozent auf einen Anteil von rund 42 Prozent an der inländischen Stromproduktion zurück.

Habeck, der sich eher als Klima- denn als Wirtschaftsminister versteht, gerät dauerhaft in die Defensive. Kurz vor der vorgezogenen Bundestagswahl wird seine Kompetenz offen und ungeniert in Frage gestellt. Wohl auch weil er die E-Auto-Prämie von einem Tag auf den anderen gestoppt hatte. Die Folge: Die E-Auto-Zulassungen gehen dramatisch zurück. Der Minister räumt den Fehler ein. Aber es gibt ja das „Deutschlandticket“, das im 144 Seiten starken Koalitionsvertrag gar nicht vereinbart war.

Erfolgreicher im Koalitionssinne war Habecks Kabinettskollege Hubertus Heil, der getreue Sozialdemokrat, der seine Vorhaben meist geräuschlos in Gesetzesform bringt. Die Ampel hat den Mindestlohn auf 12 Euro und das Bafög angehoben. Hartz IV wird durch das Bürgergeld ersetzt. Mit Zustimmung der CDU/CSU. Jetzt will die Union das Bürgergeld wieder abschaffen. Zu teuer, zu viel Mißbrauch, zu wenig Leistungsanreiz. Eine Verschärfung kam wegen des Ampel-Aus nicht mehr zustande. 5,6 Millionen Menschen erhalten derzeit Bürgergeld.

Mit dem KTF-Urteil aus Karlsruhe kam Stillstand

Völlig versagt hat die Regierung beim Wohnungsbau. Im Koalitionsvertrag wurde der Bau von 400.000 Wohnungen jährlich vereinbart. Sogar ein eigenes Wohnungsbau-Ressort wurde nach 23 Jahren neu geschaffen, besetzt von der SPD-Parteisoldatin Klara Geywitz. Prognosen zufolge soll die Zahl der fertiggestellten Wohnungen 2025 auf 230.000 sinken. Jahr für Jahr rückt das Ziel von 2021 immer mehr in die Ferne.

Gesellschaftspolitisch umstritten, in der Ampel aber weitgehend Konsens war das sogenannte „Selbstbestimmungsgesetz“. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP): „Es geht um die Achtung und die Würde der Person – nicht um Identitätspolitik oder Zeitgeist“. So sahen es aber die Grünen. Das Gesetz sieht vor, daß Menschen ihr Geschlecht oder ihre Vornamen einmal im Jahr beim Standesamt ändern können. 14- bis 17jährige benötigen die Zustimmung ihrer Sorgeberechtigten. Diese Zustimmung kann durch ein Familiengericht ersetzt werden, wenn die Änderung dem Kindeswohl entspricht. Die Union will das Gesetz im Falle der Regierungsübernahme ändern.

Wie eine kalte Dusche traf die Ampel die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im November 2023. Das höchste deutsche Gericht kippte die Finanzierung des Klima- und Transformationsfonds (KTF). Das Geld, das ursprünglich für Corona-Hilfen geplant war, darf nicht für andere Zwecke eingesetzt werden. Die Klage der Union („Buchungstrick“) war erfolgreich. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, ein ideenloser, willfähriger Vollstrecker der Koalitionspolitik, hatte das Gesetz unterschrieben. Später bedauerten sowohl Scholz als auch Finanzminister Christian Lindner (FDP), das Urteil nicht als Chance für einen Neustart der bereits zerstrittenen Koalition genutzt zu haben.

Die Ampel hatte für die Rechte keinen Respekt übrig

So ging der Dauerstreit zwischen Rot-Grün und der FDP in die Verlängerung. Soll die Schuldenbremse ausgesetzt werden für die Ukraine-Hilfen? Zu diesem Zeitpunkt, ein Jahr vor dem Ampel-Aus, wuchs bei CDU/CSU die Zuversicht, die ungeliebte Koalition nach der nächsten Wahl wieder ablösen zu können.

Schmerzlich, weil ungewohnt war seit dem Jahreswechsel 2021/2022 die Erfahrung der harten Oppositionsarbeit. Eine Erkenntnis, die ihre Plenar-Nachbarn zur Rechten, die AfD, bereits seit 2017 aushalten mußte. Das Verhältnis zwischen den rechtskonservativen Abgeordneten und den übrigen Fraktionen muß wohl als feindselig bezeichnet werden.

Daß die verbalen Auseinandersetzungen an Schärfe zugenommen haben, dürfte auch an der Totalverweigerung der „demokratischen Mitte“ und der Linken liegen, die AfD entsprechend ihrer Stärke an der Organisation des Parlaments zu beteiligen. Stichwort Bundestagsvizepräsident. Die Mehrheit im neu gewählten Bundestag wird sich im Laufe der Legislaturperiode grundsätzliche Gedanken machen müssen, wie sie ihr Verhältnis zu einer Minderheit gestaltet, die jeden fünften Wähler hinter sich weiß. Anderseits wächst der künftigen AfD-Bundestagsfraktion durch ihre neu gewonnene Stärke gesamtparlamentarische Verantwortung zu. Vielleicht besinnt man sich auf das Motto, mit dem Scholz seinen Wahlkampf 2021 gewonnen hatte: „Respekt“.

Aus der JF-Ausgabe 09/25. 

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Ex-Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP): Sie wollten nicht mehr miteinander regieren. Foto: picture alliance/dpa | Michael Kappeler
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