CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat in dieser Woche die Forderung seiner Partei bekräftigt, die Strafmündigkeit von 14 auf zwölf Jahre abzusenken. Kann ein Kind im Alter von zwölf Jahren die Konsequenzen seines Handelns ermessen? Wenn es darum geht, sich ein Tattoo stechen zu lassen oder sich einer Geschlechtsumwandlung zu unterziehen, dann sicherlich nicht. Einem derart jungen Menschen fehlt schlichtweg die Fähigkeit, über das Ausmaß seiner Entscheidung für seine eigene Zukunft zu urteilen.
Was aber jedes Kind mit zwölf Jahren können sollte, vorausgesetzt, es ist geistig und psychisch gesund: den Unterschied zwischen Recht und Unrecht, zwischen Gut und Böse zu kennen. Wer kein Dasein fristete wie ein isolierter Kaspar Hauser, der weiß, daß man nichts stehlen darf und daß es falsch ist, jemanden zu verletzen oder gar zu töten. Wer es im Alter von zwölf Jahren dennoch tut, der muß dann auch die Konsequenz seines Handelns tragen und dafür zur Rechenschaft gezogen werden können.
Es gibt zahlreiche schockierende Fälle
Womit wir bei der Strafmündigkeit wären. In einem Rechtsstaat, wie Deutschland es eigentlich noch sein sollte, entscheiden die Gerichte dann so oder so individuell über das Strafmaß, die soziale Prognose oder die Schuldfähigkeit. Es ist aber höchste Zeit, daß die Politik den Weg dafür frei macht, auch Zwölfjährige zur Verantwortung ziehen zu können. Die Strafmündigkeitsgrenze muß abgesenkt werden.
Immer wieder werden wir durch Meldungen in den Nachrichten aufgeschreckt, in denen strafunmündige Kinder unfaßbare Verbrechen begehen. Das jüngste Beispiel ist der Fall aus Stuttgart, wo ein Dreizehnjähriger einen Zwölfjährigen vor eine Straßenbahn geschubst hat und das Opfer dadurch ums Leben kam. In Dortmund hat im April 2024 ein ebenfalls dreizehnjähriger Junge einen Obdachlosen mit einem Messer attackiert und getötet.
Nicht selten kommt es zu sexuellen Übergriffen von Kindern an Kindern, die sogar in einer Vergewaltigung enden. Im März 2023 wurde die zwölfjährige Luise aus Freudenberg an der Grenze zwischen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz von ihren Freundinnen brutal erstochen. Die Täterinnen waren erst zwölf und 13 Jahre alt. Auch sie können nicht für ihre Bluttat bestraft werden – weil die Grenze der Strafmündigkeit zu hoch angesetzt ist.
Wer es mit zwölf nicht versteht, der wird es auch mit 14 nicht verstehen
Laut Strafgesetzbuch ist schuldunfähig, wer bei Begehung der Tat noch keine 14 Jahre alt ist. Sogar bei Kapitalverbrechen wie Mord, Totschlag oder Raub mit Todesfolge können die Täter nicht für ihre Verbrechen strafrechtlich belangt werden. Hier geht das Gesetz bislang davon aus, daß die Kinder die Folgen ihres Handelns noch nicht ausreichend überblicken.
Diese Sichtweise ist veraltet und naiv. Zudem ebnet sie den Weg für eine Manifestierung des kriminellen Verhaltens dieser Kinder. Wer mit zwölf oder 13 Jahren nicht versteht, warum es falsch ist, einen Menschen zu töten oder zu vergewaltigen, der wird es auch nicht mit 14 Jahren verstehen – vielleicht sein ganzes Leben nicht.
Ähnlich wie die Rufe nach schnellen Abschiebungen, wenn ausreisepflichtige Migranten ein Menschenleben brutal beendet haben, so brechen auch nach Bluttaten von Kindern Debatten über eine frühere Strafmündigkeit in der Öffentlichkeit los. Geschehen ist bisher nichts.
Strafmündigkeit absenken: Andere Länder machen es vor
Dabei muß der Verrohung unserer Gesellschaft auch im „Kinderzimmer“ begegnet werden. Die Kinder von heute haben einen anderen Reifegrad als die Generationen davor. Seit 1923 regelt Paragraph 19 Strafgesetzbuch die altersbedingte Deliktsfähigkeit. Hundert Jahre später sollten wir darüber diskutieren dürfen, ob diese Regelung noch zeitgemäß ist.
Andere Länder kennen bereits andere Regelungen: Auf Zypern beispielsweise sind Kinder ab 13 Jahren strafmündig. In Irland, Kanada und den Niederlanden beginnt die Strafmündigkeit bereits mit zwölf Jahren. Die Eidgenossen in der Schweiz und Frankreich gehen sogar noch weiter, hier beginnt die Deliktsfähigkeit sogar bei nur zehn Jahren.
Wir sollten also damit aufhören, wichtige Themen zu tabuisieren, die die Sicherheit der Menschen in unserem Land direkt betreffen. Statt dessen müssen wir anfangen, der neuen Realität direkt in die Augen zu blicken.