GELSENKIRCHEN/BERLIN. Die frühere Polizei-Dozentin Bahar Aslan hat gegen den Entzug ihres Lehrauftrags an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) in Nordrhein-Westfalen Klage eingereicht. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) unterstütze sie dabei, wie der Verein am Dienstag mitteilte. Die GFF ist ein 2015 gegründeter Verein und will nach eigenen Angaben Demokratie und Zivilgesellschaft fördern, Überwachung und digitale Durchleuchtung begrenzen und für alle Menschen gleiche Rechte und soziale Teilhabe durchsetzen.
#Rassismus in der #Polizei kritisiert – Job weg? Gemeinsam mit @BaharAslan_ und @P_O_Heinemann reichen wir heute Eilantrag gegen den Entzug ihres Lehrauftrags an der Polizeihochschule #NRW ein. Wer Missstände benennt, darf dafür nicht sanktioniert werden!https://t.co/ZiGsFOtRBg pic.twitter.com/PBRjNBioyN
— Freiheitsrechte.org – GFF (@freiheitsrechte) August 15, 2023
Die Polizei-Hochschule hatte Aslan im Mai von ihrem Lehrauftrag entbunden, und sie solle auch für das im September startende neue Semester keine weiteren Lehraufträge erhalten. Die Dozentin für „Interkulturelle Kompetenz“ hatte zuvor auf Twitter im Zusammenhang mit Polizeikontrollen über „der ganze braune Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden“ geschimpft, der ihr und ihren Freunden „Angst macht“. Der Chef der nordrhein-westfälischen Polizeigewerkschaft, Michael Mertens, hatte die Äußerungen Aslans damals scharf kritisiert. „Bei genauem Betrachten müssen diese Aussagen sowohl straf- als auch arbeitsrechtlich geprüft werden.“ Und weiter: „Konstruktive Diskussion ja, so allerdings nicht.“
Polizei ignoriere internen Rassismus
Die Juristin und Projektkoordinatorin bei der GFF, Laura Kuttler, beklagte: „Der Vorfall ist bezeichnend: Eine Lehrbeauftragte der Polizeihochschule verliert ihren Job, weil sie öffentlich ihre Angst vor Rassismus in der Polizei äußert.“ Und weiter: „Das zeigt, wie weit wir davon entfernt sind, daß Sicherheitsbehörden sich mit Rassismus in den eigenen Reihen auseinandersetzen.“ Zur Meinungsfreiheit gehöre, staatliche Behörden zu kritisieren – „das hat die Polizeihochschule grob verkannt“, sagte Kuttler.
Der Anwalt der Dozentin, Patrick Heinemann, äußerte sich gegenüber der Zeit über die Tweets seiner Mandantin: „Sie hat Polizisten nicht pauschal als braunen Dreck bezeichnet, sondern differenziert. Daß die Polizei mit Rechtsextremismus ein Problem hat, ist ja offensichtlich.“ Heinemann warf der Polizei-Hochschule zudem vor, den SWR-Journalisten und dortigen Lehrbeauftragten Stephan Anpalagan in einem ähnlichen Fall nicht entlassen zu haben. Anpalagan hatte Ende Juli die deutsche Polizei mit der Gestapo der Nationalsozialisten verglichen. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Manuel Ostermann, hatte daraufhin Strafanzeige erstattet. Daß Anpalagan seinen Lehrauftrag an der Polizei-Hochschule nicht verloren hat, seine Mandantin Aslan jedoch sehr wohl, bezeichnete Heinemann als schwer nachvollziehbar.
Aslan selbst betrachtete sich als Opfer von Politikern, Gewerkschaften und „Rassisten“, die sie „öffentlich gemaßregelt“ hätten, bis ihre berufliche Existenz auf dem Spiel gestanden habe. In ihrem Fall seien verschleierte Ungerechtigkeiten und Rassismus „an die Oberfläche gespült worden“, schrieb sie Anfang August auf Twitter.
Als eine einzelne Frau, die es wagte rechtsextreme Umtriebe als „braunen Dreck“ zu bezeichnen und daraufhin von Politikern, Gewerkschaftlern und Rassisten öffentlich diszipliniert und gemaßregelt wurde. Das ging soweit, dass meine berufliche Existenz auf dem Spiel stand.
— Bahar Aslan (@BaharAslan_) August 5, 2023
Ostermann: Kein „struktureller Rassismus“ bei der Polizei
Linke führen beständig einen intensiven Streit um vermeintlichen Rassismus der Polizei gegen Menschen mit Migrationshintergrund sowie Asylbewerber. Laut einer Studie der Deutschen Hochschule für Polizei im Auftrag des Bundesinnenministeriums handelt es sich dabei um „mehr als nur Einzelfälle“. Allerdings hatte die JF die tendenziöse Fragestellung und Methodik kritisiert. Die Deutsche Polizeigewerkschaft hatte schon 2020 bei einer ähnlichen Studie ebenso die Methodik der reinen Opferbefragung moniert und die Untersuchung als „üble Stimmungsmache gegen die Polizei“ bezeichnet.
Auch Ostermann hatte als Polizeigewerkschafter bestritten, daß es „strukturellen Rassismus“ bei der Polizei gebe.
Es gibt in deutschen Sicherheitsbehörden keinen STRUKTURELLEN Rassismus.
Es gibt in Deutschland schon gar kein „Polizeiproblem“.— Manuel Ostermann (@M_Ostermann) March 13, 2023
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