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FAZ: „Merkel – ein Rückblick“: Merkels Medien-Allianz bröckelt

FAZ: „Merkel – ein Rückblick“: Merkels Medien-Allianz bröckelt

FAZ: „Merkel – ein Rückblick“: Merkels Medien-Allianz bröckelt

Den Abwärtstrend vor Augen: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
Den Abwärtstrend vor Augen: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): Den Abwärtstrend vor Augen, starten erste Verbündete ihre Absetzbewegung
FAZ: „Merkel – ein Rückblick“
 

Merkels Medien-Allianz bröckelt

Jahrelang applaudierte die FAZ der Bundeskanzlerin. Ein nun veröffentlichter Artikel des Soziologen Wolfgang Streeck deutet Richtungskämpfe in der Redaktion an. Die Zeitung will nicht mit in den Abwärtsstrudel der Ära Merkel gezogen werden. Doch diese Positionierung kommt reichlich spät. Ein Kommentar von Thorsten Hinz.
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Die FAZ ist schon lange nicht mehr jene „Zeitung für Deutschland“, wie ihr Untertitel verheißt, sondern ein Verlautbarungsorgan der Merkel-Republik. Das schließt gelegentliche Ausflüge in den Qualitätsjournalismus alter Art nicht aus. Der ganzseitige Aufsatz „Merkel – ein Rückblick“ von Wolfgang Streeck, Direktor emeritus am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln, der am 16. November im Feuilleton der FAZ erschien, hat darüber hinaus das Zeug zum politischen Ereignis. Weil darin eine brachiale und gleichzeitig sachlich-kühle Analyse der Merkel-Ära vorgenommen wird und weil die prominente Plazierung signalisiert, daß es sich um mehr handelt als um die Einzelmeinung eines Außenseiters.

Merkel, so läßt sich der umfangreiche Text zusammenfassen, hat das Land materiell, ideell und moralisch auf Verschleiß gefahren. Weil sie keine politische Überzeugungen besitzt, ist sie je nach wechselnder Konjunktur anschluß- und in jedem Fall mehrheitsfähig. Es erweist sich für die CDU-Vorsitzende als günstig, daß politische Anschlußfähigkeit nur nach links gefragt (und erlaubt) ist und grummelnde Konservative mit dem Gespenst des Populismus, des Rechtsradikalismus und des Nationalsozialismus schachmatt gesetzt werden können. So hat Merkel die NS-Vergangenheit gezielt instrumentalisiert, um ihre destruktive Einwanderungspolitik zu legitimieren und die Kritik daran zu ersticken.

Parteien und Medien als Zuarbeiter Merkels

Streeck interpretiert Merkel als eine Erscheinung „im Übergang vom Sozialkapitalismus der zweiten Hälfte des zwanzigsten zum Neoliberalismus des einundzwanzigsten Jahrhunderts“. Sie ist in einem System erfolgreich, „wo die postdemokratische Reduzierung von Strategie auf Taktik von einer politischen Klasse, die ihre Regierungsfunktion an den globalen Markt und die europäische Technokratie abgetreten hat, als hohe Kunst politischer Herrschaftssicherung kennerisch bewundert wird“.

Das heißt, die etablierten Parteien, die Medien, die Zivilgesellschaft arbeiten ihr zu, während „die AfD als Vogelscheuche zum Zweck der politischen Disziplinierung einer neuen, 90-prozentigen gesellschaftlichen Großmitte“ dient. „Dabei speist sich die Existenz der AfD als Partei mehr als erwartet aus der Substanz von CDU und CSU (…).“ Anders gesagt: Merkel hat die Substanz der Union um ihrer persönlichen Machtambitionen willen verfüttert.

Nichts anderes war schon in den Merkel-Büchern von Gertrud Höhler, Günter Lachmann, Ralf Georg Reuth, Hinrich Rohbohm und anderen sowie im jüngsten Sammelband des FAZ-Redakteurs Philip Plickert über Merkels Regierungsbilanz zu lesen. Auch die JUNGE FREIHEIT hat sich zu Merkel deutlich geäußert. Noch spektakulärer als der Inhalt des Textes ist daher sein Erscheinungsort.

Die FAZ in der Absetzbewegung

Streeck gehört seit der Grenzöffnung 2015 zu den entschiedensten Kritikern der Kanzlerin und war deswegen in der FAZ, und zwar namentlich vom Feuilleton-Redakteur Patrick Bahners, hart angegangen worden. Dieser hatte im September 2016 unter dem Titel „Auf die Kanzlerin kommt es an“ Streeck eine primitive „Küchenpsychologie“ vorgeworfen und Merkel eine untergründige „Sachdimension“ sowie ein „Könnens-Bewußtsein“ unterstellt.

Solche regierungsfreundlichen Interventionen von Intellektuellen kennt man sonst vor allem aus autoritären Regimes: Um nicht irre zu werden am politischen Irrwitz, dem man ausgeliefert ist, dichtet man seinen Akteuren und Repräsentanten ein Arkanwissen an, in dessen Licht der Wahnsinn sich als Teil einer tiefsinnigen Strategie erweisen soll. Auf diese Weise neutralisiert man die kognitive Dissonanz. Die erwiesene Wahrheit lautet jedoch: Merkel hatte niemals einen Plan. Ohne Bahners beim Namen zu nennen, zitiert Streeck aus seinem Artikel und sieht ihn in „der Rolle des politischen Journalisten als Panegyriker“. Weniger vornehm: Als Schmeichler, als Hofschranze. Daß diese Invektive in der Zeitung erscheint, könnte auf Richtungskämpfe innerhalb der Redaktion verweisen.

Natürlich ist es opportunistisch von der FAZ, sich so spät zu positionieren und einen Text dieser Schlagkraft erst jetzt zu veröffentlichen: Jetzt, da Merkel politisch in den letzten Zügen liegt und die Jamaika-Koalition – mag sie kommen oder nicht – sich als ein politisches Kifferbündnis erweist, dessen wichtigster, sogar einziger Kitt die Lust an der Macht – vor allem die Lust der Angela Merkel – ist. Der Abdruck des Textes ist eine Absetzbewegung. Die Zeitung will nicht mit in den Abwärtsstrudel gezogen werden und sich vom Ruch des Verlautbarungsorgans befreien. Es soll uns recht sein. Es gibt Phasen, in denen der Opportunismus zum Positiven wirkt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): Den Abwärtstrend vor Augen, starten erste Verbündete ihre Absetzbewegung
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