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Steinbach und Gauweiler: Wenn wir streiten Seit‘ an Seit‘

Steinbach und Gauweiler: Wenn wir streiten Seit‘ an Seit‘

Steinbach und Gauweiler: Wenn wir streiten Seit‘ an Seit‘

Gauweiler
Gauweiler
Erika Steinbach und Peter Gauweiler in der Bibliothek des Konservatismus Foto: JF
Steinbach und Gauweiler
 

Wenn wir streiten Seit‘ an Seit‘

Können zwei miteinander streiten, die jahrelang in der gleichen Bundestagsfraktion gemeinsam Politik machten, häufig ähnliche Ansichten vertraten und auch heute noch freundschaftlich verbunden sind? Eher nicht. Die frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach und der ehemalige CSU-Vize Peter Gauweiler wagten trotzdem den Versuch.
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Daß ausgerechnet er einmal die Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigen würde, hatte Peter Gauweiler sicher auch nicht gedacht, als er sich 2015 aus der aktiven Politik zurückzog. Doch da das CSU-Urgestein sein Publikum gern mal auf schon fast spitzbübische Weise mit genau den gegenteiligen Positionen provoziert, die von ihm erwartet werden, fand er sich am Montag abend in der Berliner Bibliothek des Konservatismus ein, um sich zum  Anwalt der Unionsparteien zu machen.

Geladen hatte ihn die frühere Präsidentin des Bunds der Vertriebenen, Erika Steinbach, die 2017 wegen Merkels Flüchtlingspolitik aus der CDU ausgetreten war und nun Vorsitzende der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung ist. Ursprünglich hätte Gauweiler nach dem Wunsch Steinbachs über seine zahlreichen Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Euro-Rettungspolitik referieren sollen, doch der frühere CSU-Vize hatte eine andere Idee. Warum nicht über das Für und Wider eines Parteiauftritts streiten. Oder anders formuliert: „Bleiben oder gehen – fliehen oder standhalten“?

Steinbach: Das Maß war voll

Nur, können zwei miteinander streiten, die jahrelang in der gleichen Bundestagsfraktion gemeinsam Politik machten, häufig ähnlich bis gleiche Ansichten vertraten und auch heute noch freundschaftlich verbunden sind? Um die Antwort vorwegzunehmen: nein. Und so war die Veranstaltung auch weniger ein Streitgespräch, als vielmehr der Versuch, jeweils beim Gegenüber um Verständnis für die eigene Entscheidung zu werben.

Erwartungsgemäß stieß Steinbachs Position beim Publikum auf dankbare Zustimmung. Pointiert zeichnete sie den stetigen Linksruck der CDU unter der Führung Merkels nach. Hatte sich die Parteivorsitzende 2000 noch vehement gegen Multikulti ausgesprochen und 2003 eine strenge und geordnete Zuwanderungspolitik gefordert, sei davon nach dem Wechsel von der Opposition- auf die Regierungsbank nichts mehr übriggeblieben.

Statt dessen habe die Kanzlerin in den Chor derjenigen miteingestimmt, die das Lied vom Islam sängen, der zu Deutschlands gehöre. Nicht zu vergessen natürlich die Grenzöffnung für hunderttausende Asylsuchende im Spätsommer 2015. Als sich Merkel dann zwei Jahre später auch noch gegen das Grundgesetz gestellt habe, indem sie behauptete, das Volk sei jeder, der hierzulande lebe, sei für Steinbach das Maß voll gewesen.

„Die Vorstellung, im anstehenden Bundestagswahlkampf nochmals für die CDU zu werben, war für mich unerträglich“, begründete sie ihren Austritt. Vom einst christlichen Kern der Union und der konservativen Säule, die die Partei lange gestützt habe, sei nichts mehr übrig. „Entweder man bleibt in einem maroden Haus wohnen, oder man sucht sich eine neue Bleibe.“ Sie habe sich daher für letzteres entscheiden.

Stimmung Folge einer „Erfolgsdepression“

Eher halbherzig versuchte Gauweiler darauf, einigen politischen Entscheidungen der Regierung Merkel wie der Abschaffung der Wehrpflicht oder dem Ausstieg aus der Kernenergie auch positive Aspekte abzuringen. Auch er habe dem damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) vertraut, als dieser gemeint habe, die Wehrpflicht sei nicht mehr aufrechtzuhalten, wenn nur ein so geringer Anteil der wehrfähigen Männer eingezogen würde. Und auch die Energiewende sei vielleicht nicht aus rationalen Erwägungen nachvollziehbar gewesen, man könne aber am Atomstrom nicht auf Dauer gegen einen so großen Widerstand in der Bevölkerung festhalten. Letztlich sei der Ausstieg aus der Kernenergie auch ein Teil zur Befriedung der Gesellschaft gewesen.

Ausgesprochen leidenschaftlich wurde Gauweiler dagegen, als er das verteidigte, wofür die Union seiner Meinung nach seit ihrer Gründung stehe und was er als Lebensleistung der Partei wertete: die Idee einer demokratischen Politik der Mitte christlicher Prägung. Er sei nach wie vor überzeugt, daß nur von hier aus tragfähige Lösungen entstehen könnten. Das zeige ein Blick auf die Leistungsbilanz der Union.

Daß die Stimmung derzeit nicht die beste sei, führte der CSU-Politiker auch auf eine sogenannte „Erfolgsdepression“ zurück, die sich mit der Wiedervereinigung 1990 eingeschlichen habe. Bis dahin habe man gewußt, wogegen man kämpfe: gegen die Spaltung Deutschlands und gegen die Bedrohung durch den Kommunismus. Mit dem Fall des Eiserenen Vorhangs habe sich das jedoch erledigt.

Er sehe es deshalb auch positiv, daß der Union mit der AfD eine Konkurrenz gewachsen sei, die verhindere, daß man sich träge zurücklehnen könne. Die AfD wirke auf CDU und CSU wie eine „Hallo Wach“-Tablette. Das wiederum belebe die Demokratie. Auch deswegen lehne er das sonst so beliebte „AfD-Bashing“ ab.

Gauweiler wirbt für Arbeitspflicht

Das bedeute allerdings nicht, daß er die Positionen der Partei in der Asylpolitik teile, mahnte Gauweiler. „Die 1,5 Millionen Flüchtlinge, die hierhergekommen sind, die kann man nicht einfach wieder zurückschaffen. Wenn das jemand in der AfD behauptet, dann ist das Quatsch.“ Statt dessen warb er eindringlich dafür, Asylbewerber endlich arbeiten zu lassen und, wenn sie sich dem verweigerten, zu gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten.

Ein Vorschlag, der bei Steinbach schon deswegen auf wenig Begeisterung stieß, da damit ein Signal in die Welt gesendet würde, daß, wer es einmal nach Deutschland schaffe – legal oder illegal – auch bleiben dürfe. Zudem bezweifelte die ehemalige CDU-Abgeordnete die Bereitschaft und Fähigkeit vieler Asylbewerber zum Arbeiten an. Darin erschöpften sich aber auch schon die Meinungsverschiedenheiten der beiden, die schnell über Allgemeinplätze wie ‘Das Elend der Welt kann nicht in Europa und erst recht nicht Deutschland gelöst werden’ zur Einigkeit zurückfanden.

Daß beide lieber einen Blick zurück auf ihre gemeinsame Unionszeit warfen, minimierte das Konfliktpotential des eigentlich geplanten Streitgesprächs noch zusätzlich. Zu einem solchem wäre es möglicherweise gekommen, hätte man die Chancen und Möglichkeiten einer gemeinsamen Zukunft ausgelotet. Die jüngsten Äußerungen führender CSU-Vertreter wie Markus Söder oder Manfred Weber nach dem FPÖ-Skandal in Richtung AfD hätten die Harmonie des Abends hier durchaus trüben können.

Erika Steinbach und Peter Gauweiler in der Bibliothek des Konservatismus Foto: JF
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