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Zwei Mächte gibt es – Dritter Teil

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Zwei Mächte gibt es – Dritter Teil

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Über die Jahrhunderte hinweg entstand so das größte, zusammenhängende Imperium der Erde. Ein Kolonialreich auf dem Landweg, wie es nicht ganz unpassend heißt. Doch warum gelang Moskau, was anderen, aufstrebenden Fürstentümern versagt blieb: die dauerhafte Etablierung eines Großreiches? Denn aufstrebende Herren gab es viele, die gleichfalls in kurzer Zeit riesige Ländereien anhäuften. Doch sie alle wurden von den zentrifugalen Kräften der Feudalgesellschaft erfasst und zerfielen ebenso rasch.

Es waren dies vor allem drei Faktoren. Bereits Iwan III. verhinderte den Zerfall seines eroberten Territoriums durch eine Methode, die seine Nachfolger perfektionieren werden – die Deportation. Durch die gezielte Vermischung einander fremder Bevölkerungsteile in den neu eroberten Ländern behinderte er deren Herausbildung einer eigenständigen Identität, die den Herrschaftsanspruch von Moskau früher oder später in Frage gestellt hätten. Eine Methode, die bis hin zur Vernichtung ganzer Völker gesteigert werden konnte.

Eine weitere Methode entwickelte sein Enkel Iwan IV. zu einem ersten, vorläufigen Höhepunkt – der Terror. Der Geheimdienst als Auge des Herrn, welches sieht, ohne selbst gesehen zu werden; als Hand des Herrn, die straft, ohne selbst gestraft zu werden: willkürlicher Mord ohne Anklage, ohne Richter und ohne Henker. Nur Menschen, die plötzlich im namenlosen Dunkel verschwinden und verängstigte Freunde, Nachbarn, Familienmitglieder hinterlassen, die einander mißtrauen und sich voreinander fürchten.

Ein Surrogat für die natürlichen Bindungen der Menschen

Diese beiden Methoden, die sich einander ergänzen und verstärken, zerstören die natürlichen Bindungen der Menschen, fressen das soziale Gemeinwesen an wie Säure das organische Leben. Zurück bleiben herausgelöste, isolierte, verstörte Menschen, die nun als Material für den Herrschaftswillen der Zentralmacht dienen können. Doch sie müssen in ihrer Vereinzelung erst wieder eingefangen, erst wieder in eine neue soziale Struktur gepresst werden. Dazu dient die dritte Methode – die Ideologie.

Die Ideologie ist das Surrogat für die natürlichen Bindungen der Menschen. Sie werden neu erschaffen, nun aber als künstliche Abhängigkeiten zur Zentralmacht. Unabhängig von dieser darf es überhaupt keine Beziehungen mehr geben. Nachbarn, Freunde, Familie, alles das stellt den unbedingten Herrschaftsanspruch der Zentralmacht in Frage. Nicht Nachbarn, Freunde, Familie darf dem einzelnen etwas über seinen Platz in der Gesellschaft sagen, sondern einzig und alleine die Ideologie.

Weltliche und geistliche Macht in den Händen eines Herrschers, mit dem Tod des letzten byzantinischen Kaisers Konstantin XI. und der Brandschatzung seiner Stadt, war eine Theokratie ausgelöscht worden. Iwan III. und seine Nachfolger, mit jedem Machtzuwachs weiteten sie ihren Anspruch aus. Ein Fürstentum nach dem anderen wurde verschlungen, bis ihnen ganz Rußland, bis ihnen ganz Sibirien, bis ihnen ein Zehntel der Erde gehörte. Und am Ende dieser Entwicklung stand der Vollender ihres abstrahierten Herrschaftswillens da – Josef Stalin.

Deportation, Terror und Ideologie, der Dreiklang totalitärer Herrschaft, Stalin steigerte sie zu einer noch nie geschauten Höhe. Eine Theokratie ohne Gott, eine vollkommene Gesellschaft als Ziel, perfekt, ohne Makel und ohne Menschen. Identitätslos, eigenschaftslos, austauschbar, eine Masse ohne Besonderheiten, eine bloße Intelligenz, welche die Staatsmaschine am Laufen hält. Alles das als Medium, als Flüssigkeit des einen, absoluten, zugleich entgrenzten wie richtungslosen Willens. Der Willen um seiner selbst willen. Der Willen zur Macht.

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